Khartoum - Alexandria

Endspurt ans Mittelmeer

Von der Hauptstadt Khartoum über Wadi Halfa und den Ruinenstädten Ägyptens nach Alexandria

Aus meinem Tagebuch

Endlich geht es wieder los. Um 2 Jahre musste ich meine letzte Tour durch Afrika verschieben. Corona hat mir jedes Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber jetzt sollte es hoffentlich klappen. Am 15. Februar 2023 geht mein Flieger von München mit Qatar Air über Doha nach Khartum. Um 22.35 Uhr werde ich dort landen. Eine Unterkunft konnte ich bei Airbnb zum Glück vorab buchen. Hoffentlich klappt das. Meine Bekannten Manfred und Doris aus Wehringen gaben mir den Tipp mich bei German Guesthouse ein zu quartieren. Aber das Guesthouse konnte ich im Internet nicht mehr finden. Es war nur noch der Hinweise, dass die Seite nicht mehr betrieben wird. Der Betreiber hat wohl seinen Hotelbetrieb aufgeben.
Zur Vorbereitung gibt es viel zu tun: Der Urlaub muss mit dem Arbeitgeber geklärt werden, Flug buchen, Hotel für die ersten Tage buchen, Fahrrad checken (hier kann ich mich auf meinen Fahrradschrauber Hubert verlassen), Passbilder machen lassen, Euro in Dollars wechseln (im Sudan klappt der Wechsel von Dollars leichter, auch wenn ich dadurch doppelten Wechselverlust mache) usw.
Das Wichtigste sind natürlich die Visen für den Sudan und Ägypten. Das Sudan Visum kann ich erst 4 Wochen vor Einreise beantragen. *Sie brauchen eine persönliche Einladung aus Sudan“ erzählt mir ein Mitarbeiter der sudanesischen Botschaft in Berlin. Das musste ich bei meiner letzten Einreise nicht vorweisen. Seit das Militär vor 2 Jahren das Ruder übernommen hat, gilt diese neue Regelung. Reiseagenturen aus dem Sudan verlangen 200 bis 300 Dollar dafür. Ein Zufall hilft mir zum Glück weiter. Als ich in der Arbeit von diesem Problem erzähle hilft mir ein ebenfalls reisefreudiger Kollege weiter, „Ich glaube ich kann dir da weiterhelfen, ich kenne jemanden mit Beziehungen in den Sudan“ 14 Tage später halte ich die Einladung der Firma Dome Technologies in der Hand. Zum Glück noch rechtzeitig bevor ich die Antragsunterlagen an die Botschaft nach Berlin schicke.
In der Zwischenzeit treibe ich meine Planungen voran. Ich kaufe mir einen DJI Osmo Pocket2 Gimbel als Kamera samt Zubehör. Eine 36000 mAh Solar Powerbank, eine neue bayerische Flagge für mein Fahrrad und kaufte mir neue Bücher auf meinem elektronischen Reader. Ich bringe Mein Fahrrad auf Vordermann, neue Beleuchtung, neue Halterung für die Kamera.
Aber immer habe ich im Hinterkopf mein noch ausstehendes Visum für den Sudan. Dabei will ich auch noch das Visum fur Ägypten beantragen, das wird knapp.
Ich frage mehrmals telefonisch in der Botschaft Sudans nach, immer werde ich vertröstet, dass die Prüfung noch dauert. Dann kommt der Hinweis, dass ich eine offizielle Registrierung der Firma benötige, die mich eingeladen hat. Das hatten sie mir auch schon vor 2 Wochen sagen können. Jetzt geht der Stress wieder los. Zum Glück bekomme ich das Zertifikat 16 Tage vor Abreise und schicke es mit Email gleich an die Botschaft. Wieder warten.
Endlich, 5 Tage vor dem Abflug liegt mein Reisepass mit dem gultigen Visumeintrag im Briefkasten. Mein Visum für Ägypten habe ich in der Zwischenzeit als eVisum beantragt und 3 Tage später bekommen. Jetzt kann es endgültig losgehen….
Ich bin angekommen. Und zum Glück mit mir mein gesamtes Gepäck. Leider gab es beim Einchecken das Problem, dass ich nur 2 Gepäckstücke aufgeben konnte. Dabei ist mein Fahrrad schon eines davon. So musste ich mich am Schalter entschließen 2 Fahrradtaschen als Handgepäck mitzunehmen. An Werkzeug, Taschenmesser und Hygieneartikel habe ich gedacht. Die lasse ich im aufgegebenen Gepäck. Aber nicht an meine Zeltstangen und -heringe. Die werden genau unter die Lupe genommen. Ohje, ich kann unmöglich darauf verzichten. Bange Sekunden, aber die Stangen sind sehr dünn und aus Carbon. Und die Heringe stumpf genug. Zumindest nach der Daumenprüfung der Gepäckkontrolle. Nochmals Glück gehabt.
In Khartum baue ich mein Rad zusammen und wechsle erstmal 600 Dollar in sudanesische Pounds um. Oh Gott, wie kann ich 380000 Pounds in meinen Taschen verstecken? Das ist völlig unmöglich.
Ich packe das Geld ein, hole mir noch eine 8 Gbyte SIM Karte und rolle aus dem Flughafen. Google Mail navigiert mich zu meinem ersten Hotel hier in Khartum. Ich habe es über Airbnb gebucht. Doch die Adresse scheint falsch zu sein. Oder die Navigation. Jedenfalls finde ich das Haus nicht. Ich klopfe immer wieder an verschiedene Hauser aber niemand öffnet mir. Naja ist ja auch schon 1 Uhr nachts. Da würde ich auch keinem Fremden mehr öffnen. Ein paar Jugendliche auf der Straße helfen mir. Alle sind sehr nett und hilfsbereit. Doch zunächst habe ich keinen Erfolg. Bis ich in einem kleinen Laden den Ladenbesitzer frage. „Yes i know this place. Just 100 m from here“. „Bist du aus Deutschland?“ fängt er mich in Deutsch. Er selbst war da auch schon mal.
Glück gehabt. So treffe ich Mohamed, meinen Vermieter 2 min später in seinem Haus. Er hätte nicht mehr gedacht, dass ich noch komme. Auch er ist sehr freundlich, gibt mir gleich seine Handy Nummer und zeigt mir mein Zimmer. 3 Betten und Küche. Ich denke das reicht aus für mich.
Toilettenpapier brauche ich noch, sage ich ihm. „Come with me, we can buy in the next shop“. Ich begleite ihn um 1.30 Uhr in einen Shop nur 50 m von der Unterkunft entfernt. Er hat immer eine weiße Plastiktüte bei sich. Keine Ahnung warum. Als wir zurück gehen, sagt er mir. In der Nacht musst du hier in der Stadt aufpassen. Sonst könnten sie dich ausrauben. Dann zeigt er mir was er in der Tüte mitschleppt. Eine Knarre und sein Finger am Abzug. Auf mich haben bisher alle hier einen unheimlich netten und hilfsbereiten Eindruck gemacht. Aber Vorsicht ist ja bekanntlich die Mutter der Porzellankiste. Um 2.30 Uhr geh ich ins Bett.
Ich schlafe aus und fahre erst mittags in ein Restaurant in der Nähe meiner Unterkunft. Als ich zu meinem Rad zurück kehre sehe ich, wie ein junger Mann meine bayerische Flagge fotografiert. „Kommen Sie aus Deutschland?“ frägt er mich. *Ja, woher sprichst du so gut Deutsch und warum fotografierst du meine Flagge?“ will ich wissen. Dann zeigt er mir eine Intranetseite mit bayerischer Flagge. Er erklärt mir, die Sprache hat er sich selbst beigebracht, im Internet. Er wollte wissen aus welchem Teil Deutschlands ich komme. Bayern, da fällt ihm nur Bayern München ein. Er ist Fan von dem Verein. Vom FCA hat er noch nix gehört, aber er wird jetzt auch Fan von Augsburg werden. Na also, geht doch. Ein sehr interessierter und gebildeter junger Mann. Mohamed Gibbril heißt er, studiert Medizin und interessiert sich sehr für deutsche Kunst und Literatur. „Sag Gibbril zu mir, Mohamed heißt hier jeder“. Stimmt mein Vermieter heißt auch so.
Ich verabschiede mich, denn ich will einen Besuch im Italien Tourist Office zu machen. Bei meinen Recherchen in Deutschland bin ich auf diese Reiseagentur gestoßen. Sie haben mir Hilfe bei allen Fragen zugesichert. Ich brauche ein Travel Permit, ausgestellt vom Ministerium of Tourism und beantragt von der Firma, die mich eingeladen hat. Anschließend brauche ich noch eine Erlaubnis der Polizei. Das dauert 2 bis 3 Tage. Und morgen und Samstag ist alles geschlossen. Na, das sind ja tolle Aussichten. Ich werde wohl ein paar Tage länger hier in Khartum bleiben müssen, bevor es losgeht.
Ich versuche Ashraf von der Firma Dome Technologie zu erreichen. Vergebens. Erst am Abend ruft er zurück. Wir vereinbaren uns morgen Mittag zum Lunch zu treffen und die weiteren Schritte zu besprechen.
Ich sitze hier in Khartum fest. Freitag und Samstag sind Feiertage. Erst am Sonntag sind die Behörden wieder offen. Ich brauche eine Erlaubnis, dass ich mich außerhalb Khartums aufhalten darf. Meine Hoffnung ist Ashraf, meine Kontaktperson hier. Mit ihm war ich gemeinsam Abendessen. Er macht mir Hoffnung: „i can’t do anything before Sunday, but i am sure you will get it“. Mit dieser Hoffnung starte ich ins Wochenende.
Nach dem tollen FCA Sieg gegen Hoffenheim am Freitagabend kann ich in bester Stimmung meine Stadtbesichtigung am Samstag beginnen. Zunächst schaue ich mich nach einem Adapter für meine Elektrostecker um. Die meisten Unterkünfte haben zwar auch den 2poligen Steckeranschluss wie wir in Deutschland, aber der 3polige Stecker (ich glaube die Briten haben den) ist geläufiger. Ich finde in einer Mall den passenden Laden. Nachdem der Verkäufer alle möglichen Geschäfte abgeklappert hat, bringt er einen passenden Adapter. Ich frage nach dem Preis. 20 Euro!! will er dafür und lässt auch nicht handeln. Wow, zähneknirschend zahle ich den Preis. Aber damit ist es einfach noch sicherer, dass ich meine Geräte unterwegs laden kann.
Ich fahre durch Khartum, über die Brücken des Nils. Hier fließen der Blaue (aus Äthiopien) und der Weiße Nil (aus Ruanda) zusammen, um als ein gemeinsamer Fluss durch Ägypten bis zum Mittelmeer zu fließen. Ich werde ihn hoffentlich noch öfter begleiten.
Doris und Manfred von der Laufgemeinschaft haben mir vor der Reise das German Guest House ans Herz gelegt. Leider konnte ich es im weltweiten Netz nicht ausfindig machen. Ich glaube der Vermieter ist den einbrechenden Gästezahlen zum Opfer gefallen. Google Maps zeigt mir aber die Location noch an. Also fahre ich hin und prüfe meine Vermutung vor Ort. In der Tat. Hier weist nichts mehr auf ein früheres Guesthouse hin, schade.
Ich besuche eine Einkaufsmall. Nicht zu glauben, dass sich die Menschen hier die Lebensmittelpreise leisten können. Alles kostet mindestens so viel wie in Deutschland, teilweise sind die Produkte erheblich teurer. Vor allem Markenprodukte. Oder kostet bei uns ein kleines Nutellaglas auch schon 5 Euro? Lediglich die Getränke sind etwas günstiger. Wasser, Cola, O-Saft, alles relativ günstig. Nur beim Bier fühle ich mich an den Song von Paul Kuhn erinnert: „Es gibt kein Bier auf Hawaii…“ und auch nicht im Sudan no Alkohol. Aber das wusste ich schon vor der Reise. Dass es an der Kasse recht gemütlich zugeht, muss ich nicht erwähnen, aber das liegt auch an den Bündeln voller Geld, die jeder Kunde hier lässt. Die größte Banknote ist gerade mal 1 Euro 70 wert…. da heißt es blättern und zählen.
Hier zu warten ist zermürbend. Ich sitze im Zimmer und lese. Naja Bücher habe ich genug auf meinem Reader. Und es soll ja auch bilden. Draußen ist es mir zu heiß. Dann beschließe ich doch zu meinem Lieblingskaffee mit Wifi Verbindung zu radeln. Bei dem Verkehr ist das kein Vergnügen. Ein PKW touchiert meinen Lenker mit seinem Außenspiegel. Ich kann das Rad gerade noch kontrollieren. Puh, hoffentlich komme ich hier bald weg.
Dann ruft mich Ashraf an, es sieht gut aus. Er holt mich am Nachmittag ab um 4 Passfotos zu machen. Dafür habe ich mir schon mal mein FCA Trikot angezogen. Soll ja schließlich nach was aussehen. Ich gebe ihm Pass, Fotos und 30 Euro. Das alles braucht er um mit dem Brief seiner Firma das Permit in die Wege zu leiten. Morgen Mittag sollte ich es bekomme. Eigentlich gebe ich meinen Pass sehr ungern her. Aber ich vertraue Ashraf. Dann muss ich eben noch eine Nacht hierbleiben und hoffe Dienstag früh starten zu können.
5 Tage habe ich jetzt den Verkehr hier überstanden. Was soll jetzt noch schiefgehen. Ashraf ruft mich gegen 2 Uhr an. Er muss mich noch in der Ausländerbehörde registrieren. Und auch am Grenzübergang in Wadi Halfa gibt es wohl Schwierigkeiten. Was genau konnte ich in dem Gespräch zwischen den hupenden Autos und scheidenden Marktverkäufer nicht entnehmen. Er ruf mich abends an, wenn alle Papiere erstellt sind. Inschallah. Ich besuche ein nettes Kaffee um die Ecke und warte.
Ashraf meldet sich am Abend. Leider bekomme ich sämtliche Unterlagen erst morgen Mittag. Wieder ein Tag warten…. und die Wettervorhersage sagt nix gutes. Es wird noch heißer. Am nächsten Tag sitze ich in meinem Lieblingskaffe „Manuela“ mit Klimaanlage und WLAN. Als ich zurück radle um mich mit Ashraf zu treffen glaube ich meinen Augen und Ohren nicht. Direkt an der Ecke meines Hotels findet eine wilde Demonstration mit Jugendlichen auf der einen und Polizei/Militär auf der anderen Seite statt. Die Luft ist geschwängert mit Rauch und alle paar Minuten höre ich Detonationen. Der Rauch reizt meine Augen zu tränen, ich bekomme kaum Luft. Als ob es sich um Reizgas oder Tränengas handelt. Die Polizei hält mich auf. Hier komme ich nicht mehr durch. Auch wenn ich nur noch 500 m zu meiner Unterkunft habe. Ok, nichts wie weg hier. Ich versuche mit einem großen Bogen die Unterkunft von der anderen Seite aus zu erreichen. Auch hier stehe ich 50 m vor dem Haus im Zentrum des Konflikts. Jetzt allerdings auf der Seite der Demonstranten. Auch sie halten mich auf. Ich habe nur noch 50 m und deute auf das blaue Haus. Dann lassen sie mich gehen. Am Haus angekommen gehe ich in meine Unterkunft, verschließe die Tür und atme kräftig durch. Der Rauch reizt dermaßen meine Schleimhäute, dass ich ein paar Minuten brauche. Dann kann ich mir das Schauspiel von oben aus meinem Fenster betrachten.
Immer wieder höre ich das Knallen von Geschossen. Die Jugendlichen rücken vor, werfen Steine und weichen im nächsten Moment gleich wieder zurück. Ca. eine Stunde dauert das ganze Geschehen. Dann ist Schluss und wenn die brennenden Reifen nicht wären, würde man nicht vermuten, dass hier noch vor wenigen Minuten eine Straßenschlacht stattgefunden hat. Ich rufe Ashrif an und schlage vor das Treffen auf die Abendstunden zu verschieben. Gerade ist vielleicht keine gute Zeit.
Am Abend steht er vor meiner Tür und überreicht mir endlich meinen Pass mit der notwendigen Registrierung und das travel permit. Vielen Dank Ashrif ohne ihn hätte ich es wohl nicht geschafft. Wir verabschieden uns und wünschen uns viel Glück. Das Tränengas von heute Nachmittag liegt dabei immer noch in der Luft.

Um 5.45 Uhr sitz ich auf dem Fahrrad. Ich hatte heute Nacht wenig geschlafen. Entweder ich habe die letzten Nächte zu lange geschlafen oder ich bin zu nervös. Die ersten Kilometer sind immer die Schwersten. Ich komme in der relativ kühlen Luft gut voran. Doch nach 10 Kilometer bekomme ich plötzlich Panik. Ich habe ALLE GETRÄNKEFLASCHEN im Kühlschrank vergessen. Mist. Wenn ich zurück radle ist der Tag dahin. Doch ohne Getränke Flaschen wäre fahrlässig. Ich rufe meinen Vermieter Khalil an. „Kannst du mir BITTE die Flaschen nachfahren?“ Ich schicke ihm meine GPS Position. Er macht es. In der Zwischenzeit spricht mich ein kleiner Schuljunge auf Arabisch an. Ich verstehe kein einziges Wort, leider nicht mal seinen Namen. Aber eine sehr nette Begegnung. Kurze Zeit später kommt Khalil freudig mit den 3 Flaschen an. So ein Glück. Ich fahre weiter, die Landschaft wird trostloser, die Straßen schlechter und der Gegenwind mehr. Ich schaue auf meinen Tacho: 15 ,14, 13, 12 km/h dann trete ich wieder rein und erreiche wieder 14 km/h. Nur über Stunden kann ich das nicht machen. Jetzt ist das Radfahr-Gefühl hier in Afrika wieder zurück. Es ist reine Willenskraft die Touren durchzuziehen.
Nach 60 km bin ich endlich an meinem Ziel, ein Café. Hier lege ich mich am Nachmittag auf ne Pritsche und relaxe. Um 4 oder 5 radle ich weiter. Noch ein paar Kilometer und suche mir einen Zeltplatz. 70 km heute ist ein guter Start.
Die nächsten Tage laufen wohl im gleichen Muster ab. Sehr früh aufstehen (ca. 5Uhr), ab 5.45 Uhr aufs Rad. Möglichst schon gleich Tempo machen. Gegen 11.00 Uhr erreiche ich dann mein Tagesziel. Heute wars nach meiner App MAPS.ME ein kleiner Shop. Aber da war nix, außer ein paar Gebäude mit ein paar Menschen war nix. Ich frage trotzdem ob ich nachmittags hier im Schatten liegen darf. Darf ich ohne Probleme.
Ich liege den ganzen Nachmittag hier. Langweilig wirds nicht. Ein junger Sudanese telefoniert die ganze Zeit so laut, dass er sich das Smartphone sparen könnte. Den hört die ganze Gegend. Immer wieder beten sie, spielen Spiele zusammen. Und wenn’s mal leiser ist, schreit mir die Ziege in mein Ohr. Ruhe gibts hier nicht.
Dann plötzlich helle Aufregung. Alle geben mir zu verstehen aufzustehen und zur Straße zu blicken. Ein Radfahrer fährt mit Ausrüstung an der Straße entlang Richtung Khartum. Ich pfeife ihm nach. Aber er dreht sich nicht mehr um. Würde ich auch nicht, selbst wenn ich einen Pfiff gehört hätte. Schade. Hätte gerne mit ihm meine Tour besprochen. Kaum liege ich wieder auf meiner Isomatte, schon wieder Aufregung. Wieder sind zwei Radler diese Richtung unterwegs. Und wieder kann ich nur hinterherschauen. Aber jetzt um 16.00 Uhr ist halt noch verdammt heiß. Mir zu heiß, um schon wieder auf dem Rad zu sitzen.
Leider habe ich mir unter „kleiner Shop“ vorgestellt, dass es was zu trinken gibt. Wasser, Cola, Fanta halt irgendetwas kaltes. Nix. Nur Wasser aus dem Topf, wo sich alle bedienen. Mir ist das zu gefährlich. Noch habe ich Reserve. Aber morgen brauch ich dringend Nachschub, sonst gibts auch für mich das nicht abgepackte Wasser.
Sand, überall Sand. Sand in den Schuhen, im Zelt, an den Satteltaschen, an der Fahrradkette, einfach überall. Das zelten in der Wüste ist nicht nur idyllisch. Ich versuche den Sand in der Dunkelheit des Tagesanbruchs auszuschütteln, wo es geht. Dann starte ich, natürlich gegen den Wind. Meine Hoffnung, dass er sich früh morgens noch zurückhält hat sich nicht erfüllt. Den Gefallen tut er mir nicht.
Nach kurzer Zeit auf dem Rad, donnern Busse an mir in meiner Richtung vorbei. Einer nach dem anderen. Ich habe sie gezählt. 35 Busse in einem Affentempo innerhalb 5 bis 10 Minuten. Am späten Vormittag rasen sie wieder zurück. Keine Ahnung wo die hinfahren.
Ich komme an ein kleines Café. Chai, heißen Chai gibt’s hier. Ich trinke 3 hintereinander, mit verdammt viel Zucker. Aber so trinken die den hier. Ich kann ihn richtig genießen. Ich frage den jungen Mann ob ich auch Wasser, Cola oder sonst etwas Kühles zu trinken bekomme, leider nicht. Er führt mich zum Fass mit Trinkwasser und einer Schöpfkanne. Diesmal nehme ich was. Ich fülle 2 Liter in meine Trinkflaschen ab. Ich will sie allerdings nur im Notfall nutzen. Ich mache mich wieder auf den Weg.
Von Weitem sehe ich nach vielen Kilometern in den Beinen einen Melonenstand. Einen echten MELONENSTAND. Keine Fata Morgana. Ich kaufe eine und bitte Achmed den Verkäufer mir Schnitze zu schneiden. Welch ein Genuss. Ich kurzer Zeit esse ich die Hälfte. Mehr traue ich nicht, Nicht dass ich noch Magenschmerzen bekomme. Dann packe ich noch 2 Schnitze in eine Tüte. Den Rest lasse ich ihm als Geschenk zurück.
Ich erreiche mein Tagesziel. „Food and Drinks“ hat mir meine App Maps.Me ausgewiesen. Naja, vielleicht hätte ich mir darunter noch vor zwei Wochen was anderes vorgestellt, aber jetzt bin ich völlig glücklich hier. Ein schattiger Platz und kühle Getränke…. mehr brauch ich nicht. Und die 2 Liter Trinkwasser, die ich als Reserve seit dem Café heute früh hab, muss ich auch nicht wegschütten, damit mache ich Katzenwäsche. Ich frage den Besitzer ob ich hier übernachten darf – darf ich. Also heute ohne Zelt.
Ich übernachte die nächsten 2 Nächte an den wenigen Raststationen auf dem Weg durch viel Sand. Zum Glück sind die Straßen in relativ gutem Zustand. Ich schlafe entweder auf dem Boden oder auf einer der Pritschen. Aber immerhin muss ich früh morgens mein Zelt nicht zusammenbauen. Das spart mir 30 min, die ich länger schlafen kann.
Immer wieder mal werde ich zum Essen eingeladen. Aber ich muss gestehen, es kostet mich schon sehr große Überwindung mit allen zusammen aus einem gemeinsamen Teller nur mit der Hand zu essen. Unten liegt das Fladenbrot, dann wird eine Fleischsoße mit Fleischstücken draufgegossen, und los geht es. Jeder reißt sich vom Rand ein Stück Brot ab und taucht es in die Fleischsoße ein. Wie gesagt, es kostet mich Überwindung, aber ich fand’s doch sehr lecker.
Später am Abend holt mein Gastgeber einen alten und verstaubten Röhrenfernseher heraus. Alle Stühle, Tische und Pritschen werden zur Seite gestellt. Und der Fernseher in die Mitte gestellt. Dann ist Kino-Time. Männer und Kinder (wo die Frauen sind kann ich nicht sagen) sitzt am Boden und sehen sich eine drittklassige Bollywood Serie an. Vielleicht bin ich zuhause doch mit meinem riesigen Flachbildschirm verwöhnt? Ich glaube schon. Nach der zweiten Serie wird ausgesteckt und das Abendprogramm ist vorbei.
Es ist ja nicht so, dass es keine Frauen und Mädchen hier gibt, nur ich sehe sie kaum. Aus den Reisebussen steigen gleichwohl Männer und Frauen ein und aus, aber seit ich Khartum verlassen habe, sehe ich an den Raststationen nur Männer und Jungs. Keine Frauen, keine Mädchen. Soll ich sie mal fragen? Aber kaum jemand spricht ein wenig Englisch und ich will auch nicht indiskret sein.
Wie jeden Tag stehe ich 5.45 Uhr abfahrbereit wieder an der Straße. Ein Sudanese winkt von weitem und kommt auf mich zu. Erst im letzten Augenblick erkenne ich, dass es mein Gastgeber ist. Er wollte sich nur bei mir verabschieden und mir viel Glück wünschen. Ich bin gerührt, dass er extra deshalb hinter mir her auf die Straße läuft. 50 Kilometer stehen auf dem Programm und wenn ich dachte langsamer als 11 Kilometer je Stunde geht nicht, doch geht. Heute ist die Anzeige teilweise auf 9 km/h gesunken. Die letzten Kilometer schleppe ich mich ins Ziel.
Ich liege im Zelt, in der Wüste, aber zu nahe an der Straße. Da höre ich natürlich jeden einzelnen PKW und LKW. Aber das Rad weiter rein zu schieben, kostet so viel Kraft in dem losen Sand. Auf- und Abbau des Zeltes gestaltet sich leider auch alles andere als einfach. Der Wind bläst stetig, ich bin alleine und Heringe kann ich hier im Sand völlig vergessen. Aber irgendwie muss es gehen und den Straßenlärm in der Nacht muss ich ertragen. Dafür funkeln Millionen von Sternen über mir, als ich mich auf den Rücken lege.
Heute komme ich ausnahmsweise sehr gut voran. Ich habe zum ersten Mal das Gefühl nicht nur bergauf zu fahren. Aber das liegt wohl vor allem daran, dass ich etwas mehr Richtung Westen fahre. Der Wind kommt eher von der Seite. Jetzt fehlt nur noch ein Melonenverkäufer zu meinem vollständigen Glück. Aber auf den warte ich vergebens.
Macht nix, um 10 Uhr habe ich nicht nur mein Tagesziel erreicht, sondern ab Khartum die längste Passage ohne feste Unterkunft hinter mir. Ab jetzt sollte ich wenigstens nach 2 spätestens 3 Tage ein Hotel finden. Und hier bekomme ich neben dem gesüßten Tee ein Omelett, Tomaten, Zwiebel und Peperoni zum Frühstück. Ein scharfes Frühstück. Und statt der Melone gibts zum Nachtisch Pampelmuse. Auch sehr saftig und lecker.
Abdrahman unterhält sich mit mir. Er kümmert sich rührend um mich. „Wenn du ein Problem hast auf deiner Reise, ruf mich an“. Er gibt mir seine Telefonnummer. Sehr nett, danke. Aber leider spricht er nur ein paar Brocken Englisch. Das würde übers Telefon wohl nicht klappen. Aber eh Wurst, hier will kein Mensch etwas von mir. So sicher wie hier fühle ich mich in keiner Großstadt in Deutschland. „Heute Abend kannst du hier gerne schlafen“, gibt er mir zu verstehen, nachdem ich angedeutet habe, ob es Schlafmöglichkeiten hier gibt. Da nehme ich das Angebot doch dankend an.
Ich schlafe auf einer Pritsche unter freiem Himmel inmitten meiner Gastgeber. Bis in die Nacht wird gegessen, getrunken, Freunde und Nachbarn besucht und Musik gehört, bis langsam alles verstummt. Ich bin natürlich wieder früh unterwegs, aber leider erwies sich mein erhofftes Hotel als Tagesziel als Flop. Naja, spätestens in Dongola, also am Donnerstag werde ich sicher wieder eine erfrischende Dusche in einem Hotel genießen können. Da könnt ihr ganz sicher sein, dass ich sie genieße. Die Straßen waren für mich bisher ganz in Ordnung. Aber heute wurden die Schlaglöcher immer größer. Ich staune nicht schlecht, als ich sehe, dass mich ein großer Bus direkt rechts auf der staubigen Seitenstraße überholt. Der Fahrer und ich schauen uns mit großen Augen an.
Ich versuche mal mit ein paar Beispielen des täglichen Lebens, das mir hier im Sudan zu Teil wird, völlig wertfrei zu beschreiben:
An einer Raststation stehen in meiner Mittagspause ein halbes Dutzend leere Cola-, Sprite- und Fanta Flaschen (meist ist das so) von mir an meinem Tisch. Als ein Bus mit Fahrgästen kommt, sind die in wenigen Sekunden weg. Sie brauchen sie zum Auffüllen mit Wasser auf ihrer Weiterfahrt. Berührungsängste kennen sie hier überhaupt nicht.
An jeder Schenke (mir fällt kein anderes Wort, als dieses alte Wort ein) steht ein Frischwasserkanister. Meist hängt ein Krug daran, mit einem Strick festgebunden. Hier bedienen sich alle (alt, jung, Männer und Frauen) um ihren Durst zu löschen oder einfach sich Hände, Gesicht oder Füße zu waschen. Ich selbst trinke nicht daraus, aber als Abkühlung fürs Gesicht ist es sehr wohl tuend.
Überall wird Kaffee oder Tee ausgeschenkt (meist mit sehr viel Zucker). Ein 5 l Ölkanister dient zum Auffüllen von Kaffee- und Teewasser. War da vielleicht ein öliger Geschmack in meinem Tee? Eigentlich nicht, aber alles hat hier noch nach Gebrauch auch einen anderen Zweck. Und trotzdem liegt in jedem Dorf noch so viel Plastikmüll (meist alte Trinkflaschen). Ich für meinen Teil versuche zumindest meinen Abfall in den entsprechenden Behältern zu entsorgen.
Strom gibt es leider auf dem Land nicht dann ganzen Tag. Aber ab 18.00 Uhr steht er wieder zur Verfügung. „Das ist Sudan“ sagen die Menschen mit einem Lächeln. Für mich sind die Lademöglichkeiten dadurch sehr begrenzt. Denn ab 16.30 Uhr mache ich oft den zweiten Teil meiner Tagesstrecke und schlaf dann im Zelt. Aber eins gilt überall: die Menschen sind sehr freundlich, hilfsbereit und aufgeschlossen. Leider sprechen nur wenige so viel Englisch, um sich unterhalten zu können.
Ich bin in Dungula angekommen, hab hier ein Zimmer mit WC und Dusche. Was gibt es schöneres? Naja, die Dusche funktioniert leider nicht so wie sie soll, Die Halterung bricht schon auseinander, aber Wurst. Die 550 Kilometer lassen sich bei dem Gegenwind und der Hitze ab 10.00 Uhr wirklich nicht leicht radeln. Zum Glück sind die Straßen trotz der vielen und großen Schlaglöcher halbwegs ok.
Eine gute Zeit um Zwischenbilanz zu ziehen. Was ich sehr angenehm finde, ist die Unaufdringlichkeit der Sudanesen. So ein weißer Radfahrer gehört ja nicht zum Alltagsbild. Und trotzdem sind alle hier freundlich und höflich aber niemand aufdringlich. Kein Mann, keine Frau und kein Kind haben mich bisher angebettelt. Wenn ich mein Rad stehen lasse, muss ich es nicht verschließen, ich tue es trotzdem oft. Aber meine und die Sicherheit meines Hab und Gutes ist sicher ein echter Pluspunkt meiner Reise durch den Sudan.
Was viel schwerer als ich mir vorstellen konnte, ist die Versorgung mit Lebensmittel. Sudan hat eine noch viel schlechtere Infrastruktur als die anderen afrikanischen Länder durch die ich gereist bin. Ein Lebensmittelgeschäft auf Google Mail erweist sich hier meist als Laden, der 4 Std am Tag geöffnet hat und fast nix verkauft. Mit Glück Getränke, mit viel Glück sogar gekühlte Getränke. Dann ist die Auswahl nicht abgelaufener Produkte sehr klein. Dazu hat nicht jedes Dorf ein Geschäft. Restaurants und Essensmöglichkeiten gibt es außerhalb Khartums nur sehr begrenzt. Heute fand ich einen Dönerladen mit Fleisch vom Spieß. Ich denke da geh ich morgen wieder hin.
Kontakt findet man hier sofort, weil die Menschen immer wieder nachfragen. Gestern lag ich im Schatten einer Moschee in meiner Mittagspause. Als die Schulkinder nach Hause gingen, blieben sie alle bei mir stehen, packten ihre Englisch Bücher aus und übten mit mir. Mein Travel Permit habe ich übrigens bisher noch nicht vorzeigen müssen 🙈. Hätte ich mir wohl sparen können.
Ich treffe auf Hameed. Er ist Reiseführer und ist mit einer Gruppe älterer Franzosen im gleichen Camp abgestiegen. Wir unterhalten uns, als seine Gruppe (alle ca. 70 bis 80 Jahre alt) mit Rollkoffer ihre Zimmer beziehen. Hier gibt es wichtige archäologische Ausgrabungen aus der Zeit der ersten afrikanischen Zivilisation. Dieses Gebiet zwischen der ägyptischen Grenze und Dongola wird als Nubien bezeichnet. Hameed bezeichnet sich selbst auch als Nubier.
Er nennt mir mehrere Ziele und rät mir die letzten 100 Kilometer nach Wadi Halfa den Bus zu nehmen. „Dort sind einige Berge und es treiben sich nachts Hyänen rum, dort solltest du nicht im Zelt übernachten.“ ich werde mir seine Worte zu Herzen nehmen.
Nach einem Erholungstag am Freitag breche ich am nächsten Tag früh morgens wieder auf. Meine Trinkflaschen stelle ich schon mal aus dem Kühlschrank… sicher ist sicher. Mein Weg führt mich nach Kerma. Dort existierte 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung die Kerma Kultur, von den Ägyptern als Reich der Kusch bezeichnet. Ein massiver Lehmziegelbau, der heute noch hoch aufragt, kennzeichnet das Zentrum der damaligen Siedlung.
Als ich in die Anlage mit dem Rad hineinfahre, werde ich von zwei Wärtern schon zurückgepfiffen. Die habe ich gar nicht gesehen. Sie bieten mir erstmal Tee an und wir plaudern bei einer Tasse Tee über den Eintrittspreis. 20 Dollar ist der offizielle Eintrittspreis. Dabei kann ich von hier doch schon die gesamte Anlage problemlos einsehen. 20 Dollar nur um die Steine etwas näher zu sehen erscheint mir völlig übertrieben. Schon kommt eine ältere italienische Gruppe mit ihrem Guide um die Ecke. „20 Dollar, 20 Dollar, 20 Dollar…“ zählt er die Touristen und lacht mich an. „Is here a hotel around?“ frage ich ihn und er gibt mir ein Zeichen nur 5 min von hier.
Ich fahre hin zum Tourist Resort (lt. Google Maps). Das Resort sieht total verlassen aus, es hat wohl seine besten Tage hinter sich. Da werde ich sicher nicht übernachten können. Also zurück zu meinen beiden Freunden. Die haben nichts dagegen, dass ich Fotos und Filmaufnahmen von der Anlage mache und so spare ich mir den übertrieben Eintrittspreis.
Ich finde heute als Pausenplatz ein besonders bequemes Plätzchen. Schattig und mit Pritschen ausgelegt. Dazu kühle Getränke gleich gegenüber. So lassen sich die Samstagsspiele doch angenehm im live Ticker verfolgen. Wenn der FCA auch noch gewinnt, umso besser. Langweilig wirds nicht. Ist es doch der tägliche Treffpunkt aller Nachbarn und Freunde. So komme ich nicht umher tausend Hände zu schütteln und an allen Mahlzeiten mit zu essen.
Eigentlich konnte der FCA doch gar nicht verlieren. Schließlich habe ich meinen FCA Löwen als Maskottchen dabei. „Gut gebrüllt Löwe“. Mit etwas Gluck sieht man auch mal die Zusammenfassung der Bundesligaspiele. Wenn gerade in einem Restaurant ein Fernseher läuft und die Jungen schauen sich die Spiele an.
Entlang des Nils bis Tumbus geht es auf Staubstraßen durch kleine Siedlungen. Ich bin etwas später dran, denn meine gestrigen Gastgeber haben darauf bestanden mir noch Kaffee, Kekse und Brot zu reichen. Ich weiß nicht wie oft ich schon auf meiner Reise zum Mitessen eingeladen wurde. Aber das gemeinsame Essen, der gemeinsame Tee oder Kaffee oder auch das gemeinsame Zusammensitzen gehören hier zur Kultur der Menschen. Die Landschaft ändert sich. Sie wird grüner (Getreideanbau und Dattelpalmen kennzeichnen die Strecke) und steiniger. Aus der Sandwüste ist inzwischen eine Steinwüste geworden mit teilweise spektakulären Felsformationen. Die Häuser werden vornehmer hier am Ufer. Ein Merkmal dafür sind die Eingangstüren und -tore, die ganz besonders schön anzusehen sind. Sie wirken wie ein Statussymbol der Hausbesitzer.
Ich treffe plötzlich den jungen Holländer Tim in meiner Mittagspause im Café, als ich ihn sehe, wie er seine Trinkflaschen auffüllt und neben sich sein Fahrrad steht. Wir kommen natürlich gleich ins Gespräch. Er ist von Holland per Anhalter gestartet, in Kairo hat er sich das Fahrrad gekauft und fährt in gegensätzlicher Richtung zu meiner nach Khartum. Dort will er sein Fahrrad wieder verkaufen und nach Saudi Arabien weiterreisen. Diese Unbekümmertheit der jungen Leute ist echt klasse. Er gibt mir natürlich tolle Tipps auf meiner noch bevorstehenden Strecke und ich ihm natürlich auch.
So komme ich am Abend noch an vielen Felszeichnungen vorbei, die wohl schon sehr alt sind, die ich wohl sonst nicht entdeckt hätte. Und dann gibt er mir noch einen Tipp für Ägypten mit: „Ignore the police, they always want to stop you in Egypt“. Na dann weiß ich ja Bescheid.
Am nächsten Tag fahr ich wieder die Staubstraßen direkt am Nil entlang. Wechsle mit der Fähre auf beide Seiten. Hier ist das Vorankommen schwieriger, aber die Landschaft dafür spektakulärer. In der Nacht zelte ich wieder. Der Wind bläst die Nacht hindurch so stark und rüttelt so kräftig an meinem Zelt, das ich mir kaum vorstellen kann morgen früh dagegen anzuradeln.
In Wawa hatte ich Vorfreude auf das Nubian Guesthouse. Endlich wieder duschen und auf einer Matratze schlafen und vielleicht WLAN? Doch nur mit Glück konnte ich hier überhaupt übernachten. Ich fragte einen Sudanesen auf der Straße: „Which house is the guesthouse?“ und er antwortete: “Just this, its my brothers house, i will call him right now to open you“. Super, da wäre ich vor verschlossener Tür gestanden und wäre wohl sicher weitergefahren.
Das Guesthouse selbst, hat eher niedrigsten Standard. 3 durchgelegene Betten im Zimmer, kalte Dusche und Toilette im Hof. Und natürlich kein WLAN. War klar, Aber Wurst, dann gehts halt ohne.
Mit einem Boot fahre ich über den Nil zum Tempel Soleb. Ich bin der einzige Besucher dort und kann mich umsehen wie ich möchte. Ob das bei den Tempelanlagen in Ägypten auch so sein wird. Ich wage es zu bezweifeln. Mein Gastgeber fragt mich später, ob ein Polizist vor Ort war, der die 20 Dollar Eintrittsgeld kassiert hat? Nein, war er nicht. Glück gehabt.
Am nächsten Tag geht es weiter nach Sai Island. Von Hameed hatte ich eine Nummer bekommen von Mr. Adil. Und genau er holt mich zusammen mit seinem Sohn Muaz mit dem Boot auf die Insel. Nochmal einen Tag Zeit mich der Nubian Kultur zu widmen. Auch hier gibt es mehrere tausend Jahre alte Siedlungen. Nicht aus massivem Stein, sondern Lehmbauten haben Jahrhunderte und Jahrtausende überlebt. Wenigstens ein Teil davon.
Muaz, der ein gutes Englisch spricht, versichert mir, dass wir beide heute Abend das Champions League Rückspiel der Bayern gegen Paris ansehen können. „No problem, my neighbour has TV access“. Doch leider war es doch ein Problem und aus dem Spiel wurde nix. Zumindest was das zusehen angeht.
Am nächsten Tag nehme ich mir einen Bus und fahre die restlichen 150 Kilometer nach Wadi Halfa. Als ich so im Bus bei kühlem Wasser und Cola sitze, denke ich mir, was für eine lebensfeindliche Steinwüste da draußen. Oh Gott, bin ich froh diese Entscheidung getroffen zu haben. Der Gegenwind, die Hitze und die feindliche Lebensumgebung hätten mich an meinem weiteren Vorhaben mit Sicherheit zweifeln lassen.
ICH BIN IN WADI HALFA.
Ich treffe mich mit Magdi, meinem Kontaktmann von Hameed. „Eine Fähre von Halfa nach Abu Simbel oder Assuan gibt es zurzeit nicht mehr“, erklärt er mir. Ich muss 30 Kilometer nach Esket radeln, dort über die Grenze und dann die Fähre auf der ägyptischen Seite nehmen. Der Grenzübergang sollte auf sudanesischer Seite kein Problem sein, in Ägypten gibt es da schon eher Probleme. Er wechselt mir noch ein paar ägyptische Pfund und gibt mir die Kontaktnummer von Hamada. „Er kann dir an der Grenze helfen, falls es Schwierigkeiten gibt“. Ok, dann bin ich für morgen hoffentlich gut gerüstet.
So habe ich in Wadi Halfa noch den ganzen Tag Zeit mich umzusehen. Die Stadt am riesigen Stausee des Nils gelegen macht einen urbanen Eindruck. Aber auch hier in Halfa ist der Plastikmüll allgegenwärtig. Da dieser Müll weder verrottet noch eingesammelt wird und sich dadurch immer mehr anhäuft, stelle ich mir vor wie es die nächsten Jahre und Jahrzehnte hier aussehen wird. Ein sehr trauriges Szenario, das mir durch den Kopf geht.
Am nächsten Tag bin ich um 6.00Uhr wieder auf dem Rad. Die 60 Kilometer bis zur Fähre hatte ich eigentlich nicht eingeplant, ich wollte ursprünglich in Wadi Halfa auf die Fähre. Hilft ja nix. Um 8.00 Uhr bin ich in Esket, um 11.00 Uhr über der Grenze in Ägypten. Doch die 3 Stunden an der Grenze muss ich im Detail beschreiben.
Zuerst wurde die offiziellen Öffnungszeit 30 min verschoben. Mit meinem Bike werde ich von A nach B geschickt. Endlich bekomme ich für 5000 Sudan Pound den Ausreisestempel in den Paß. „Wo ist dein Ticket?“ frägt mich ein Grenzpolizist. Wieder werde ich zurückgeschickt. 1000 Sudan Pound für das Ticket. „Es fehlt das zweite Ticket“. Wieder zurück. Für 5000 Sudan Pound gabs auch das. Dann wurde ich durchgelassen. Doch das letzte Tor blieb verschlossen. Gepäckkontrollschein! Wieder zurück und warten bis die Gepäckdurchleuchtung in Betrieb genommen wird. Ich bekomme einen Aufkleber – diesmal kostenlos und werde noch abgetastet. Dann gehe ich durch das letzte Tor. Geschafft, zumindest die sudanische Seite.
Jetzt kommt die Einreise nach Ägypten. Ein junger Mann nimmt mein Gepäck total auseinander. Kulturbeutel, Medizinbeutel, Werkzeug, Klamotten, Zeltausrüstung, Wasserflaschen. Alles wird ausgepackt und untersucht. Und alles liegt ausgebreitet vor mir. Dann alles wieder rein in die Taschen. Erstes Tor: Einreisestempel 35 Egypt Pound. Das Tor geht aber noch nicht auf. Ticket (für was auch immer) 105 Egypt Pound. Jetzt geht das Tor auf. Ein Mitarbeiter begleitet mich jetzt. Gepäckdurchleuchtung, diesmal mit Fahrrad. Anschließend muss ich alle Taschen wieder leeren. Ich protestiere verhalten, weise darauf hin, dass alles schon kontrolliert wurde. Egal, nochmal. Dann geht’s an den Visum Schalter. Ich händige Pass und mein eVisum aus Deutschland aus. Der Mitarbeiter, der mich begleitet, fragt mich, ob ich Wasser und ein wenig ägyptische Pfund habe. „Habe ich“, sag ich ihm. 5 Minuten später kommt er wieder, schenkt mir eine Flasche Wasser und 200 Pound (ca. 7 Euro). Mein Restgeld vom Sudan will er dafür nicht. „For your inconvenience, welcome in Egypt“ sagt er mir und muss wieder zurück zur Arbeit. Ich bekomme den Pass und spaziere durch die letzte Kontrolle nach Ägypten. Puh geschafft.
Fazit. Ca. 20 Euro auf sudanesischer Seite und 5 Euro auf ägyptischer Seite bezahlt. Hab allerdings dann 7 Euro geschenkt bekommen. Bis auf meine erste Gepäckdurchsuchung in Ägypten waren alle Grenzmitarbeiter sehr freundlich. Lustig wars trotzdem.
Dann geht’s 30 Kilometer weiter zur Fähranlegestelle. Warten mit zig LKW-Fahrer auf die Fähre. Wann sie kommt, kann keiner genau sagen. Ich werde von 2 LKW-Fahrern zum Tee eingeladen, wir plaudern ein wenig. Da ist die Fähre plötzlich schon da. Nach 50 Minuten auf der kostenlos verkehrenden Fähre bin ich in ABU SIMBEL. Ich nehme mir ein schickes Hotel nur 500 Meter vom Tempel entfernt. Und am Abend gibt es nach 4 Wochen endlich mal wieder EIN LECKERES BIER.
Ich bin mehrere Tage in der „Wohlfühloase“ Abu Simble und Assuan. Hier kann ich neue Kräfte sammeln, etwas Luxus genießen, historische Monumente besuchen und das leckere Essen (verglichen mit dem Sudan) genießen. Der Lebensstandard in Ägypten ist um ein zigfaches höher als im Sudan. Der Tempel von Abu Simbel steht auf dem Programm wie auch der berühmte Assuan Staudamm.
Doch eine besondere Begegnung hatte ich doch. Ein junger Mann (vielleicht zwischen 20 und 25 Jahre alt) spricht mich auf Englisch an. Sieht aus wie ein Einheimischer, spricht aber kein Arabisch. Er sah mein Fahrrad stehen und hat deshalb viele Fragen an mich. Er möchte morgen in den Sudan ausreisen. Visum hat er noch keines. Nachdem ich alle Fragen so gut als möglich beantworte, frag ich ihn wie er denn reise und wie lange er unterwegs ist. „Hitchhike“ sagt er mir, also per Anhalter. Ein zeitliches Limit gibt es nicht. Solange er Lust hat. Ich schenke ihm mein Restgeld aus dem Sudan. „GOOD LUCK“ wünsche ich ihm. Ich glaube das kann er brauchen.
Alle, die sich jetzt fragen, wie ist er von Abu Simbel nach Assuan gekommen: mit dem Bus. Ich hatte nie vor, diese Strecke mit dem Fahrrad zu fahren und wollte eigentlich mit der Fähre nach Assuan. Da diese Fähre seit einiger Zeit nicht mehr verkehrt, bleibt mir nur der Bus. Für die 290 Kilometer durch die Wüste von Süd nach Nord wären bei dem Gegewind 4 Tage nötig. Mit 6 bis 7 Litern Flüssigkeit am Tag, hätte ich an die 30 Liter mitnehmen müssen, vom Essen ganz zu schweigen. Somit war es für mich auch nie eine Überlegung.
Morgen geht es wieder auf Strecke. Eine Befürchtung hat sich hier in Assuan schon bestätigt. Es ist viel mehr Polizei und/oder Militär auf der Straße.
Das positive zuerst. Die Bedingungen zum Radfahren sind hier wesentlich besser als im Sudan. Gute Straßen, ein wesentlich schwächerer Wind und vor allem weniger Hitze. Hier kann ich eigentlich den ganzen Tag Radfahren ohne eine lange Mittagspause wegen der extremen Hitze einzulegen. Und so bin ich heute 130 Kilometer!!!, bis nach Idfu geradelt. Wow. In 2 Tagen bin ich in Luxor.
Wo Licht, da ist halt auch Schatten. Zunächst bin ich heute erstmals mach dem Routenplan von der Komoot App gefahren. Das war deshalb interessant, weil ich nur auf Seiten- und Nebenstraßen unterwegs war und so ziemlich interessante Eindrücke bekommen habe. Es geht halt auf den Staubstraßen sehr viel langsamer voran, aber egal dachte ich mir. Der Weg führte mich zum Kamelmarkt nach Daraw und zum Tempel Kom Ombo. Als ich weiter in ein kleines Dorf in der Nähe von Kom Ombo kam, hielten mich plötzlich die Dorfbewohner auf. Plötzlich stand eine Gruppe um mich und versperrten mir den Weg. Hier darf ich nicht weiterfahren. Warum und wieso? – keine Ahnung. Ich musste umdrehen, wenn ich keinen Konflikt riskieren will. Und das will ich natürlich nicht.
Zurück auf die Hauptstraße und da kommt was kommen musste. 30 Kilometer vor Idfu kommt mir die Polizei entgegen, dreht um und hält mich auf. Zuerst wollen sie meine Nationalität und mein Ziel wissen. Pass und Visum interessiert sie nicht. Dann bieten sie an, mich mit Fahrrad dorthin zu bringen. Ich lehne natürlich dankend ab. Dann fahren sie einfach die komplette Strecke hinter mir her. Ist ja kein Problem, aber ich fühle mich immer irgendwie gehetzt. Bergauf kriechen sie im Schritttempo mit hoch. Sie sind freundlich und nett, ich fühle mich aber nicht wohl. Sie wollen auch kein Geld, vielleicht haben sie sonst nix zu tun.
Als einmal eine Lücke entsteht und ich außer Sichtweite bin, steuere ich das nächste Café an und bestelle mir einen leckeren Kaffee. Mit einem Grinsen im Gesicht sehe ich sie vorbeifahren. 10 Minuten später haben sie mich auf dem Rückweg wiederentdeckt. Ein paar verärgert Worte auf Arabisch, aber im nächsten Moment war wieder alles ok. Sie waren, vorsichtig gesagt „not amused“. Ich habe sie bis zum Hotel nicht mehr losgebracht. Selbst beim Einchecken stand einer der Polizisten neben mir. Morgen gegen 9.00 Uhr holen sie mich wieder ab. Und wehe ich fahre schon früher los drohen sie mir. Also gut, bis Luxor werde ich die sicher nicht mehr los.
In aller früh besuche ich den beeindruckenden Horus Tempel in Edfu. Ich bin einer der ersten Besucher heute. Als ich auschecke steht mein Polizistenfreund schon neben mir. Er hält mich noch auf. Noch 2 wichtige Telefonate dann gibt er mir das Kommando „ok, go“ und los geht’s. Zweimal links, zweimal rechts, einmal umgedreht und schon war kein Polizeifahrzeug mehr hinter mir. Die kennen ja meinen Weg, denke ich mir und fahre weiter. Ich rechne jeder Kilometer damit, dass sie mich einholen und erstmal ihren Frust ablassen. Aber nix. Nicht bei 10, nicht bei 20 und auch nicht bei 30 Kilometer. Sie waren weg. Vielleicht haben sie einfach die Lust verloren.
Erst 15 Kilometer vor Esna komme ich wieder in eine Polizeikontrolle. Gleiches Spiel wie gestern. Nationalität, wohin gehts? Und dann wird telefoniert. Aber auch diese Polizisten sind wieder sehr freundlich. Und dieses Mal lassen sie mich einfach weiterfahren. „Ok, you can go“, na also, geht doch.
Ich fahre enge, kleine Seitenstraßen und werde hier zum Tee eingeladen. Die Menschen sind auch in Ägypten sehr nett. „WELCOME“ ist das Wort, welches ich am meisten höre. Solche Begegnungen sind nur möglich, wenn die Polizei nicht 10 m hinter mir fährt. Zum Glück war das heute nicht der Fall.
In Esna suche ich mir ein Hotel. Das Beste, weil einzige Hotel hier heißt El Haramein Hotel. Es schaut weder von außen noch von der Rezeption sehr einladend aus. Aber das Zimmer ist ok und ein eigenes Bad ist auch dabei. Und das Beste sind die Betten. Nicht weich, sondern hart genug um gut schlafen zu können. Na dann, gute Nacht. Am Abend schau ich mir hier in Esna noch den Tempel des Khnums an.
Auf dem Weg nach Luxor bin ich wieder alleine. Ich nehme jetzt vermehrt Nebenstraßen und hoffe so den Polizeikontrollen zu entgehen. Das klappt auch sehr gut, bis ich bei der Hälfte der Strecke eine Pause einlege. Als ich auf einer Bank sitze hält ein Polizist auf dem Motorrad an und kontrolliert meinen Ausweis. Wieder gibt es die gleichen Diskussionen, warum mit Fahrrad, warum alleine usw. Ich kann ihn überzeugen alleine weiter zu radeln, da es ja nur noch ca. 30 Kilometer sind. Er gibt mir noch einen Rat durch welche Dörfer ich nicht durchfahren soll. „Da sind Jugendliche in Banden unterwegs“. Es ist nur zu meiner Sicherheit, sagt et mir noch. Ich verspreche es ihm und weiter geht’s.
15 Kilometer vor Luxor kommt mir ein junger ägyptischer Radfahrer mit einem relativ neuen Mountainbike entgegen. Als er mich sieht, dreht er um und heftet sich an meine Fersen. Er bietet mir gleich mal einen Powerriegel an. Oh Gott, mach ich einen so abgekämpften Eindruck? Wir kommen ins Plaudern und fahren gemeinsam die restlichen Kilometer. Ich versuche ein wenig Gas zu geben, um einigermaßen seinen Ansprüchen gerecht zu werden. Aber ich denke er wollte sich nur ein wenig unterhalten. Für ihr ist es ein lockeres ausradeln.
3 Tage Luxor, 3 Tage Entspannung, 3 Tage gutes Essen und Stella Bier. Da gibts nicht viel zu schreiben deshalb ein paar Bilder mehr. Morgen gehts weiter.
Meine Trainingseinheit habe ich heute hinter mir gebracht. Es waren zwar nur 60 Kilometer, aber mir blies ein Wind mit 25 km/h ins Gesicht. Da radle ich lieber 120 km anders herum. Aber der Wetterbericht gelobt Besserung. Ab morgen soll es die nächsten Tage nur noch leichter Wind sein. Ich vertraue mal den Vorhersagen.
Und dann meine Freunde die liebe Polizei. 4 Kontrollen hatte ich heute. Es sind immer die gleichen Fragen. Woher? wohin? German? Dann wird immer ganz wichtig telefoniert und ich warte. Dann kommt: „ok, you can go“. Meist geben sie mir noch einen Rat mit auf die Reise. Nur die letzten 5 Kilometer haben sie mir noch Aufpasser mitgegeben, die sich hinter mir herschleichen. Diesmal mach ich es anders, ich fahr extrem langsam…. hilft aber auch nix. Sie haben halt ihren Job zu machen. Aber dafür zeigen sie mir den Weg ins Hotel, immerhin.
Qina ist eine furchtbar laute Stadt ohne jeglichen Charme. Jedenfalls für mich. Ich weiß auch nicht warum die Auto- und Motorradfahrer immerzu nur hupen? Aber das ist ja nicht nur hier so.
Der Tempel von Dendera ist sicher der Höhepunkt hier in der Stadt. Ich muss gestehen von allen Tempelanlagen war er bisher für mich am eindrucksvollsten.
Ich habe jetzt eine neue Taktik. In der Früh, wenn ich mein Hotel verlasse, suche ich mir die kleinsten Schleichwege aus der Stadt um die Kontrollstellen der Polizei zu umgehen. Die sind meist an den wichtigen Kreuzungen am Stadtrand. Das hat jetzt zweimal gut funktioniert. Es dauert zwar etwas länger, aber an der Kontrolle müsste ich auch warten. Nur besteht die Gefahr aggressiven Hunden zu begegnen in den engen Gassen. Da heißt es dann kräftig in die Pedale zu treten. Aber Hunde die bellen beißen ja bekanntlich nicht. Hoffentlich wissen die das auch. Jeder Tag eine neue Herausforderung bis ich endlich die Stadt hinter mir habe.
Ich bin in Sohag angekommen und habe jetzt etwas über 1500 Kilometer auf meinem Tacho. Noch vielleicht 700 bis 800 Kilometer, dann habe ich die ca. 12 000 Kilometer durch Afrika hinter mir. Das sollte doch Ansporn sein.
Und täglich grüßt das Murmeltier – da meine Begegnungen mit der Polizei am interessantesten sind, werde ich davon berichten. Doch zunächst gilt es der Polizei bis Assiut wieder zu entkommen. Zweimal musste ich auf den Nebenstraßen allerdings zunächst selbst den freilaufenden, Zähne fletschenden und bellenden Hunden entkommen, die gleich im Rudel hinter mir her sind und gefährlich nahekommen. Da hilft nur in die Pedale treten und nix wie weg. Ich beschließe meine Strategie wieder zu ändern und bleibe auf den Hauptstraßen. Von denen möchte ich wirklich nicht gebissen werden.
40 Kilometer vor Assiut bin ich wieder in eine Kontrolle geraten. Gleiches Spiel wie immer. Ich muss warten, bis ein Polizeifahrzeug kommt. Wieder fahren sie mir im Schleichgang hinterher. Diesmal sogar etwas schneller, da ich heute keinen Gegenwind habe. Sobald mich ein Tuk-Tuk Fahrer seitlich aus seiner Kabine anspricht, wird er von der Polizei gnadenlos abgedrängt. Immerhin ich fühle mich beschützt. Ich quartierte mich in das schwimmende Schiffshotel Miss Egypt ein und verabschiede mich von den Polizisten.
Als ich am späten Nachmittag mein Hotel verlassen möchte, frägt mich die Security wohin ich gehe. Jetzt wird es mir zu viel. Etwas unwirsch sag ich, dass ihn das gar nichts angeht. Jetzt schaut er mich etwas beleidigt an und ich zieh los.
Um 5.30 Uhr früh stehe ich am nächsten Morgen mit gepackten Satteltaschen an der Rezeption um loszufahren. Der Polizei hatte ich als Abfahrtszeit 6.00 Uhr am Vortag mitgeteilt um sie abzuschütteln. Aber Pech gehabt. Sie stehen bereits an der Rezeption und warten auf mich.
Als ich meine Taschen am Rad anbringen möchte, umlagern 5 oder 6 Polizisten mein Rad. „No, bicycle – Taxi“. Es beginnt eine 10-minütige Verhandlung mit ihnen. Sie lassen mich nicht fahren. Keine Chance. Ein Minibus steht schon bereit. Dort soll ich einsteigen und die 130 Kilometer bis Minya mitfahren. „From Minya to Kairo its safe“ sagt mir der Oberhäuptling. Mir bleibt nix anderes übrig, sie lassen mich nicht zu meinem Fahrrad. Also Fahrrad rein, ich rein und los geht es. Im Konvoi fahren wir los. Vor und hinter dem Minibus ein Polizeifahrzeug. Als ich den Fahrer bitte kurz anzuhalten, um mir aus den Radtaschen etwas zu holen und die Türe aufmache, stehen sofort wieder die Gesetzeshüter neben mir. Sie dachten, ich habe es mir anders überlegt und will wieder aufs Fahrrad steigen.
4- oder 5-mal wechsle ich die Polizei-Fahrzeuge. Einmal müssen wir dabei über 2 Stunden warten. Dann bin ich endlich nach 5 Stunden Fahrt in Minya angekommen. Auch hier frägt mich die junge Frau an der Rezeption ob ich vorhabe das Hotel zu verlassen. „I don’t know yet“ sage ich ihr und frage sie warum das wichtig wäre. „The police can accompany you“ sagt sie darauf. Als ich sie frage, ob es hier gefährlich wäre, meint sie nein. Aber weil hier niemand Englisch spricht ist es nur als Hilfe gedacht, falls ich Fragen hätte.
Ich weiß nicht, richtig frei fühle ich mich hier nicht. Hier in Minya darfst du nicht alleine auf die Straße. Sobald ich das Hotel verlasse ist Polizei dabei. Ätzend. Die tun mir zwar nichts. Aber ich vermisse meine Freiheit zu gehen wohin ich will und zu tun was ich will. In allen 7 Ländern die ich mit dem Rad zuvor in Afrika bereist habe, war ich frei. Hier fühle ich mich wie ein Gefangener. So gut mir vor allem Assuan aber auch Luxor zuvor gefallen haben, schlägt das hier bei mir sehr negativ zu buche.
Ein Polizist besucht mich im Hotel. Er sagt, ich darf das Hotel mit Fahrrad nicht verlassen. Fahrradfahren ist illegal hier in dieser Gegend. Das gilt natürlich nur für Touristen. Ich protestiere und kündige ihm an, morgen das Hotel mit dem Fahrrad zu verlassen oder er müsse mich einsperren. Außerdem hat mir der Kollege aus Assiut gesagt, from Minya to Cairo its safe. „He was lying“, sagt er mir nur lapidar. Am Ende verspreche ich ihm zumindest heute nur zu Fuß zu gehen. Morgen werden wir sehen was kommt. Aber ich befürchte, es wird nix aus dem Radfahren.
Ich lasse die Polizei vor dem Hotel einfach stehen, weil sie nach 5 Minuten warten immer noch keine Begleitung für mich gefunden haben. Die Stadt macht auf mich einen modernen und angenehmen Eindruck. Ich kann nicht verstehen, warum sie solche Schutzmaßnahmen ergreifen.
Als ich früh morgens losradeln möchte, stehen 3 Securities vor mir. „Please stop, one minute“. Das sagen sie immer. Daraus werden meist 20 Minuten. Als sie ihre wichtigen Telefonate führen, setz ich mich einfach aufs Rad und fahr los. „No time“ sage ich und höre nur stop, stop, stop. Ein Security läuft mir hinterher. Aber der dürfte so in meinem Alter sein, also auch nicht mehr der Schnellste.
Ich fahre aus der Stadt und habe Glück, dass der Police Checkpoint nicht besetzt ist. Ich komme gut voran, doch nach ca. 20 Kilometer sehe ich Polizei hinter mir. Sie stoppen mich. „What is the problem?“ frage ich sie. „No problem“ sagen sie mit. „Ok“, sag ich, „then i can go“, schwing mich wieder aufs Rad und fahre davon. Sie kriechen mal wieder hinter mir her. Ich habe noch 100 Kilometer vor mir, denke ich mir, wollen die den ganzen Tag so hinterherfahren? Nein, tun sie nicht. Nach 10 Kilometer steht wieder Polizei vor mir und hält mich auf. „i can not allow you to cycle here, it’s too dangerous“. Dann telefoniert er nochmal und nimmt mich mit Fahrrad und Gepäck in sein Polizeifahrzeug. Ich habe keine Chance zu entkommen. Alle 10 Kilometer muss ich das Polizeifahrzeug wechseln. Mittlerweile ist es das Vierte.
Dann steige ich in einen bereits überfüllten Kleinbus um. Mein Fahrrad wird oben festgebunden. Allerdings dauert die Fahrt wieder nur 10 Kilometer. Am nächsten Checkpoint muss ich wieder aussteigen. Ich beklage mich, weil eine meiner Trinkflaschen auf der Fahrt verloren. Ich bleibe 20 Minuten in der Polizeiwache und fahre mit dem nächsten Minibus wieder dorthin, von wo ich zurück geschickt wurde. Jetzt dreh ich langsam durch. Spinnen die langsam? Wieder warten. Jetzt bekomme ich wenigstens Tee serviert. Ich warte wieder 30 Minuten bis ein neues Polizeifahrzeug bereit steht. Jeder der mir ein übliches „WELCOME“ wünscht, entgegne ich „i don’t think so“,so angefressen bin ich mittlerweile. Dann bekomme ich endlich die Freigabe „ok, you can go. And if you like with bycicle“. So fahre ich die letzten 40 wieder auf dem Fahrrad mit Begleitschutz hinter mir. ist. Am Checkpoint wird wieder telefoniert. Ich muss mit dem Kleinbus zurück zum letzten Checkpoint. Warum? keine Ahnung. Alle Fahrgäste im Bus müssen aussteigen und der Busfahrer fährt mich exklusiv zurück zum Checkpoint, wo er mich eingeladen hatte. Auf der Rückfahrt macht er plötzlich aus voller Fahrt eine scharfe Vollbremsung, fährt kurz zurück, steigt aus und holt mir die Trinkflasche, die er auf dem Boden liegen sah, und das bei voller Fahrt, Respekt.
Ich bleibe 20 Minuten in der Polizeiwache und fahre mit dem nächsten Minibus wieder dorthin, von wo ich zurückgeschickt wurde. Jetzt dreh ich langsam durch. Spinnen die langsam? Wieder warten. Jetzt bekomme ich wenigstens Tee serviert. Ich warte wieder 30 Minuten bis ein neues Polizeifahrzeug bereit steht. Jeder der mir ein übliches „WELCOME“ wünscht, entgegne ich „i don’t think so“,so angefressen bin ich mittlerweile. Dann bekomme ich endlich die Freigabe „ok, you can go. And if you like with bycicle“. So fahre ich die letzten 40 wieder auf dem Fahrrad mit Begleitschutz hinter mir.
Es macht keinen Spaß hier in Ägypten. Als ich das Hotel um 6.00 Uhr verlassen möchte, wartet schon die Polizei auf mich. Sie halten mein Lenkrad fest und lassen mich nicht losradeln. Nach endlosen Telefongesprächen reiß ich mich los, schwing mich aufs Rad und fahr los. Die Polizei natürlich hinter mir her. Nach 10 Kilometer halten sie mich an. Sie halten mein Fahrrad fest und bestehen darauf, dass ich einsteige. Wir diskutieren 1 Stunde, meist mit seinem Kollegen am Telefon der ein wenig English spricht. Es hilft nichts. Sie lassen mich nicht fahren. Ich steige ins Polizeifahrzeug und sie fahren mit mir wieder zurück zur Busstation nach Bani Suef.
Ich steige in den Bus. Es geht Richtung Kairo. Am Ziel werde ich von der Polizei schon wieder erwartet. Wenigstens muss ich mich nicht um irgendwelche Fortbewegungsmittel kümmern, die Polizei organisiert alles für mich und dass auch noch kostenlos. Da ich über Booking bereits eine Unterkunft in Dahshur gebucht habe, fahren sie mich wieder 20 km zurück, direkt zum Snfro Café, so der Name der Unterkunft. Mein Vermieter vermietet ein Zimmer zum ersten Mal, sagt er und stellt mir Cola und Datteln zur Begrüßung hin. Ich habe mich schon gewundert, weil keine Bewertung in Booking vorhanden ist. In der Zwischenzeit bemerkte ich viele Polizisten im Garten des Cafés. Schließlich kommt der Vermieter nach 30 min zu mir und erklärt, er könne mir das Zimmer nicht geben. Die Polizei verbietet es. Ich nehme an, dass diese Unterkunft nicht gemeldet ist und deshalb die Polizei ihm Vermietungen generell untersagt. Aber genau kann er es mir mit seinem gebrochenen Englisch nicht erklären. Jetzt brauch ich eine Alternative, denn hier in Dahshur gibt’s kein Hotel.
Bevor ich eine alternative Unterkunft suche, schaue ich mir noch die Rote Pyramide an, die nur 2 Kilometer vom Café entfernt ist. Deshalb ist Dahshur auch bekannt und deshalb wollte ich auch hierher.
Es sind nur 25 Kilometer zu den großen Pyramiden in Gizeh. Dort finde ich ein Hotel. Wieder diskutiere ich eine gefühlte Ewigkeit damit ich die Strecke selbst fahren kann. Aber ich habe wieder keine Chance. Die Polizei umringt mich und drängt mich in ein Polizeifahrzeug zu steigen. Lediglich beim Umstieg in ein anderes Fahrzeug kann ich meine Gesetzeshüter überreden, die letzten 8 Kilometer hinter ihnen herzuradeln.
Aber auch das wird zum Fiasko. Aus 8 werden locker mal 15 Kilometer, weil sie ständig auf andere Straßen ausweichen. Wegen dem dichten Verkehr reden sie sich heraus. Dabei wäre ich schon längst am Ziel mit meinem Rad. Da könnte ich jeden Stau locker umfahren.
Jetzt bin ich in Gizeh und hier bleibe ich auch ein paar Tage. Der Blick von der Dachterrasse entschädigt für vieles. Als ich meinen Vermieter frage ob er auch ein Stella Bier hat, sagt er mir nur „sorry, it’s Ramadan, we have no beer at Ramadan“.
Vielleicht fragen sich viele: ist es denn wirklich so gefährlich in Ägypten zu radeln? Eindeutig NEIN. Die Menschen sind alle nett und freundlich. Nichts deutet darauf hin, dass es gefährlich wäre. Selbst die Polizei sagt mit: its safe, wenn ich sie danach frage. Und warum darf ich nicht selbst radeln, frag ich sie dann. GESETZ bekomme ich zur Antwort.
Jetzt gilts. Die Tage für Sightseeing und Relaxing sind vorbei. Ab morgen fahre ich die letzten 250 Kilometer bis Alexandria – hoffentlich ohne meine Beschützer. Wegen Ramadan habe ich hier in Kairo ein wenig Pech. Viele Cafés und Restaurants sind tagsüber geschlossen und Bier gibt’s auch keines.
Seit ich von Kairo nach Alexandria aufgebrochen bin, interessiert sich keine Polizei mehr für mich. Straßenkontrollen sind nicht mehr vorhanden und Polizei, die ich zufällig auf der Straße begegne, ignoriert mich völlig. Mir kanns recht sein.
Das Gefährlichste sind immer noch diese Straßenköter. Hier gibt es so viele davon und einige sind richtig aggressiv und springen mir bellend hinterher.
3 Etappen habe ich noch vor mir. Bis Schibin, anschließend Damanhur und schließlich Alexandria. Da ich 5:30 Uhr immer starte, stehe ich schon um 5:00 Uhr auf und bin gegen 11:00 Uhr am Ziel. Ab 4:00 Uhr kann ich ohnehin nicht mehr schlafen, denn dann brüllt für gewöhnlich der Muezzin mir dermaßen laut ins Ohr, dass an Schlaf ohnehin nicht zu denken ist. Die morgendliche Stimmung auf dem Rad ist immer ganz besonders schön. Natürlich auch wegen dem tollen Licht um diese Zeit. Getrübt wird die Freude leider immer durch die riesigen Mengen an Plastikmüll, die auch hier in Ägypten überall zu finden sind. Die Politik müsste hier Maßnahmen ergreifen und in den Köpfen der Menschen hier müsste ein Umdenken erfolgen. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Ich habe es geschafft! Nach fast 13 000 Kilometer auf dem Rad, auf 7 Reisen, durch 9 Länder (Südafrika, Eswatani, Simbabwe, Sambia, Tansania, Kenia, Äthiopien, Sudan und Ägypten) bin ich am Ziel am Mittelmeer angekommen. Von Süden über den höchsten Punkt, den Mt. Kilimandscharo bis zum nördlichen Rand des Kontinents. 26 Jahre habe ich dieses Ziel verfolgt, als ich zum ersten Mal 1997 mit meinem Freund Peter in Kapstadt gestartet bin.

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