Daressalam - Nairobi

Meine Tour zum Kilimandscharo

Mit dem Rad durch das Massai Land

Aus meinem Tagebuch

Um 16:05 Uhr ist mein Abflug mit der British Airways in München über London direkt nach Dar es Salaam geplant. Die British Airways ist als einzige Fluggesellschaft bereit, mein Fahrrad kostenlos mitzunehmen. Voraussetzung ist allerdings eine Verpackung für mein Fahrrad – wie ich diese für den Rückflug organisieren werde, muss ich mir bei meinen Reisen immer zu einem späteren Zeitpunkt noch überlegen, da mir in Nairobi, bei meinem Rückflug, mein Fahrradkarton logischer weise nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Schon beim Einchecken beginnt meine Serie an Pleiten, Pech und Pannen. Ich darf nur zwei Gepäckstücke aufgeben und habe mit meinen vier einzelnen Satteltaschen folglich zwei zu viel dabei. Deshalb muss ich noch schnell um planen; eine Tasche verschwindet in der Fahrradverpackung und eine Tasche nehme ich notgedrungen als zusätzliches Handgepäck mit.  
Durch das schnelle Umpacken habe ich mir mit dem zusätzlichen Handgepäck aber auch so manche Schwierigkeit mit eingepackt. Zunächst fällt meine 200 ml große Sonnencremetube den strengen Vorschriften am Flughafen zum Opfer. Sie steht jetzt in Reih und Glied mit vielen anderen beschlagnahmten Utensilien der Gepäckkontrolle und ist nicht die einzige Tube, die an diesem Tag von den Kontrolleuren konfisziert wird. Kurz vor dem geplanten Abflug erfahre ich dann auch noch, dass sich mein Flug um über eine Stunde verspäten wird. Mein Weiterflug von London nach Dar es Salam ist damit wohl ebenfalls geplatzt. In London wird mir eine Alternativroute ausgearbeitet. Über Johannesburg und von dort mit der South African Airline weiter nach Dar es Salam. Durch diesen Umweg werde ich allerdings erst am späten Abend dort ankommen. Die Nacht ist sicher keine gute Zeit in Tansania, um noch ein Hotelzimmer zu suchen. Vor lauter Frust über diese geänderte Reiseplanung, lasse ich in einem der zahlreichen Handgepäckkontrollen mein Handy am Terminal A liegen. Erst sehr viel später und bereits im Terminal B angekommen, bemerke ich den Verlust. Ich versuche verzweifelt dem nächsten Flughafenangestellten klarzumachen, dass ich mein „Handy“ verloren habe. Etwas verwundert sieht er mich an und versucht wohl einfach nur zu verstehen, was meine Aufgeregtheit begründet. „Sorry“, sage ich ihm, natürlich „mobile - I lost my mobile at Terminal A“. Und schon setzt sich sein Trolly mit mir als Passagier in Bewegung und im Schritttempo geht es in den unterirdischen Katakomben des Flughafens Heathrow zum Terminal A zurück. Zu meiner Erleichterung ist mein „mobile“ zurückgelegt worden und ich bekomme es wieder. Ich bin erleichtert, da es für mich eine wichtige Kommunikationsmöglichkeit mit meiner vertrauten Umwelt darstellt. Meine erste Aufregung hat sich somit schnell wieder gelegt.
Als ich am Flughafen Johannesburg ankomme, habe ich gleich mein nächstes Problem; bei der Gepäckkontrolle will mir eine eifrige Mitarbeiterin mein Klebeband und eine Autanflasche abnehmen. Beide Utensilien sind versehentlich durch das schnelle Umpacken ebenfalls ins Handgepäck gerutscht. Ein Klebeband ist für einen Globe-Biker wie ich es bin, eines der wichtigsten Universalwerkzeuge und in Afrika auch nicht mehr so leicht zu bekommen. Ich muss schon mein ganzes Verhandlungsgeschick aufbringen und mache ihr hartnäckig klar, wie wichtig das Klebeband für mich ist. Letztlich biete ich ihr auch noch 2 Kugelschreiber als „Bestechungsgeschenk“ mit an, da ich weiß, welches positive Signal ein läppischer Kugelschreiber in Afrika auslösen kann. Wohl von meiner sturen Hartnäckigkeit völlig genervt, macht sie mir deutlich, dass ich mein Klebeband wieder einpacken kann und endlich verschwinden soll. Wieder ein kleiner Erfolg auf meiner beschwerlichen Anreise nach Tansania, und das noch bevor die eigentliche Anstrengung der Tour beginnt. Hier in Johannesburg liegen jetzt weitere 5 Stunden Aufenthalt vor mir. Deshalb suche ich die Business Lounge von British Airways auf und bekomme auch ohne Schwierigkeiten Zugang in die Lounge, schließlich ist diese Verspätung und die damit verbundene Wartezeit nicht meine Schuld. Hier vergeht die Wartezeit fast wie im Fluge. Ich kann in bequemen Ledersesseln kostenlos essen und trinken. Duschen sorgen für mein körperliches Wohlergehen und internetfähige PCs machen den Aufenthalt hier noch kurzweiliger. Jedenfalls ist es in der Lounge viel besser, als auf unbequemen Stühlen innerhalb der Warteräume die Zeit zu verbringen. An die Business Lounge könnte ich mich sehr gut gewöhnen, doch ich ahne schon, dass es wohl das letzte Stückchen Luxus für meine nächsten Wochen sein wird.
Ohne weitere Zwischenfälle komme ich schließlich spät abends in Dar es Salaam an. Wie schon befürchtet, ist mein Fahrrad nicht mitgekommen und irgendwo auf der Strecke geblieben. Ich erfahre, dass es in London liegengeblieben ist und mit viel Glück morgen Vormittag hier ankommen könnte. So stehe ich mit meinen 3 Satteltaschen und meinem Rucksack in der Hand am Flughafen und muss mich um eine Unterkunft kümmern. Ein Flughafenangestellter drückt mir die Adresse eines naheliegenden Hotels in die Hand. Auf meine Frage, ob ich das Hotel zu Fuß erreichen kann, bekomme ich etwas ungläubig eine Gegenfrage zur Antwort: „Warst du denn jemals schon in Afrika?“. Eigentlich schon, denke ich mir, nur nicht in Dar es Salam um diese nächtliche Uhrzeit. Bei Dunkelheit ist es in dieser Gegend viel zu gefährlich als Weißer zum Hotel zu laufen, und so wird mir rasch ein Taxi zur Beförderung herbeigeholt. Besonders vertrauenerweckend wirkt die Gegend auf mich in der Nacht wirklich nicht, denke ich mir als ich, ständig den tiefen Schlaglöchern ausweichend, ins Transit Hotel gefahren werde. 
Am nächsten Morgen laufe ich zu Fuß zum Flughafen zurück und komme zunächst an einer Grundschule vorbei. Als Weißer sorge ich für willkommene Abwechslung bei den Kids, als sie am Morgen zur Schule kommen. Mein erster Kontakt zu den Menschen hier ist sehr herzlich. Am Flughafen angekommen, warte ich nun gespannt auf die Ankunft meines Fahrrads. Als ich schließlich den Karton am Boden liegen sehe, befürchte ich das Schlimmste für mein Rad. Die Verpackung ist dermaßen zerrissen und voller Löcher, dass nur noch wenige Verpackungsreste erkennbar sind. Ich befürchte schon ähnlichen Schaden für mein Bike. Nur noch Klebebänder scheinen den Karton, in dem sich ja auch noch eine Satteltasche befinden sollte, zusammenzuhalten. Zum Glück jedoch kommt der Inhalt unbeschadet ans Tageslicht. Sowohl das Fahrrad als auch meine Tasche, die ich ja in aller Eile in München mit verpackt hatte, sind heil geblieben. Somit geht es nun einen Tag später als zunächst geplant auf die Insel Sansibar. 
Auf einem Radweg fahre ich Richtung Fähranlegestelle. Nach Kapstadt in Südafrika und Bulawajo in Simbabwe ist Dar es Salam die dritte Stadt hier in Afrika, die für Radfahrer einen eigenen Fahrradweg haben. Doch riesengroße, metertiefe und ungesicherte Löcher inmitten des Weges bilden hier den Unterschied zu unseren Radwegen in Deutschland und lassen auch diese Fahrt zu einem kleinen Abenteuer werden. Ohne Licht ist dieser Weg in der Nacht eine echte Mutprobe und könnte mit bösen Verletzungen in einem dunklen Loch enden. 
Diesmal fahre ich mit der Schnellfähre in ca. 2,5 Stunden nach Stonetown auf Sansibar. Die Insel Sansibar wir mit Schlagworten wie exotische Gewürze, Sklavenhandel, David Livingstone, Freddy Mercury und auch traumhaften Stränden in Verbindung gebracht. Die Hauptstadt Stonetown gilt als eines der sichersten Städte auf afrikanischem Boden. Und dass ich mich hier wirklich sicher fühle, kann ich auf meinen beiden Reisen bestätigen. Auch sonst hat die Stadt, die zum UNESCO Weltkulturerbe gehört, noch viel mehr zu bieten. Mitten in der Stadt befindet sich der Forodhani Park. Leider ist der Park für die nächsten Wochen eine große Baustelle. Der Forodhani Park wird rundum erneuert und so findet der traditionelle abendliche Marktverkauf frischer, gegrillter Meeresfrüchte nicht wie sonst üblich im Park statt, sondern hat notgedrungen in den alten Gassen der Stadt einen Ausweichplatz bekommen. Nach 6 Jahren ist mir die Innenstadt von Stonetown wieder so stark in Erinnerung, als ob ich erst kürzlich hier gewesen wäre. Vor allem die alten Gassen mit den massiven Holztüren und dem schon auf großen Flächen abplatzenden Putz der Mauern machen die Altstadt zu einem Ort mit besonderem Flair. Es fehlt einfach an Geld um die Bauwerke zu renovieren – das sieht man hier an allen Ecken und Enden. Etwas außerhalb der Stadt stehen, zum krassen Widerspruch der alten Innenstadtgemäuer, Plattenbauten als Zeitzeugen der „Aufbauhilfe“ Deutschland Ost. Ich denke sie haben zu keiner Zeit der Geschichte hierher gepasst. Man kann sich nur wundern, wie die Stadtplaner diese baulichen Verunstaltungen zugelassen haben. Natürlich waren es andere Zeiten. Denn auch in Deutschland gibt es aus der Zeit der frühen 70er und 80er Jahre viele Bausünden zu entdecken, die für uns heute schwer nachvollziehbar sind. Und im Gegensatz zu unseren Bausünden geben die Gebäude hier den ärmsten Menschen zumindest ein Dach über den Kopf. 
Für mich geht es zunächst mit dem Rad an die Ostküste. Ich muss mich wieder an meinen Sattel gewöhnen und möchte auch ein weiteres Stück Sansibar kennenlernen. Zunächst besuche ich auf meinem Weg dorthin den Jozani Park im Inneren der Insel. Hier gibt es die sogenannten Red Colobus Affen. Diese roten Stummelaffen gibt es weltweit nur hier auf der Insel. Die Affen haben sich mittlerweile schon so sehr an die vielen Touristen gewöhnt, dass man ohne Probleme ganz nah an sie herankommt. Es sind sehr possierliche Tiere, die in mehreren Familiengruppen zusammenleben. Für mich ist es eine willkommene Abwechslung und eine angenehme Pause auf dem Weg an die Ostküste. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als ich aufgrund der vielen Regenfälle bei meinem letzten Besuch der Insel vor 6 Jahren, die Fahrt im Sammeltaxi (Daladala) unternommen hatte. Mindestens 30 Minuten sind wir damals vor den Toren Stonetowns umhergefahren und sammelten Menschen und Transportmaterial aus jedem Hinterhof zusammen, bis wir endlich Richtung Jozani Park losfuhren. So bin ich mit meinem eigenen Rad diesmal richtig schnell unterwegs.
Als ich an der Ostküste ankomme, genieße ich erst einmal eine kalte Dusche an einem Waschplatz für Daladalas. Dort hält mir ein Sansibari den Wasserschlauch mit kaltem Wasser über den Kopf und ich bekomme dadurch eine angenehme Abkühlung in der Hitze der Mittagssonne. Durch den Besuch des Jozani Parks bin ich in der Mittagszeit immer noch auf dem Rad unterwegs. Die Hitze fordert ihren Tribut. An der Küste ist Ebbe. Zum Schwimmen und Schnorcheln lädt die Beach deshalb nicht ein. Dafür ist die Ostküste ein Paradies für Backpacker und Paare, die gerade die Einsamkeit suchen und hier auch noch finden. Nachdem wenig Touristen in diesem Teil der Insel zurzeit da sind, kann ich mich mit meinem schwedischen Vermieter längere Zeit unterhalten. Nachdem er auch Fußballfan ist, geht uns der Gesprächsstoff auch nicht aus. Er schenkt mir zum Abschied ein Trikot von Sansibar. Da Sansibar in Tansania einen halbautonomen Status hat, haben sie eine eigene Nationalmannschaft. „Aber wir gewinnen kein Spiel“, sagt mir mein Vermieter und zwinkert mit den Augen, „trotzdem sind wir stolz auf die Mannschaft“. Ich werde es in Ehren halten. Am nächsten Morgen führt mich mein Weg wieder zurück nach Stonetown. Ich habe es inzwischen längst aufgegeben, mich mit allen Jugendlichen zu messen, die, nachdem ich sie überholt habe, plötzlich ihren sportlichen Ehrgeiz entdecken und sofort zum Gegenangriff blasen. Nach 5 Kilometer sind sie ja meistens schon an ihrem Ziel angekommen, für mich ist diese Strecke nur ein kleiner Teil meiner gesamten Tagestour. Manchmal jedoch packen auch mich mein Ehrgeiz und die Herausforderung es mit ihnen aufzunehmen. Es entsteht dann ein regelrechtes Straßenrennen auf unseren Rädern. Ich, mit meinem (für afrikanische Verhältnisse) High Tech Rad und viel Gepäck auf Vorder- und Hinterrad verteilt – die Konkurrenz ist meist 20 Jahre jünger, hat ein klappriges Rad, dafür aber eine Rennstrecke von nur wenigen Kilometern vor sich und manchmal sogar noch die nette Freundin auf dem Fahrradrahmen. Wie oft fechte ich dieses Rennen mit den Einheimischen aus – mal gewinne ich, mal verliere ich. Aber letztlich macht es immer Spaß und ich kann einige Kilometer den Windschatten meines Kontrahenten nutzen. Diese Situationen entstehen beim Radfahren immer wieder ganz plötzlich und ohne Ankündigung. Es ist ein gegenseitiges Hochschaukeln durch ein immer höheres Tempo. Im Gedanken sage ich mir: na Junge, zeig mal was du drauf hast auf dem Rad! Hier auf Sansibar nehme ich die Duelle an, denn hier habe ich meist kürzere Tagesstrecken und weniger Gepäck. Denn einen Teil meines Gepäcks lasse ich bei meinen Ausflügen in einem Hotel in Stonetown zurück. 
Am nächsten Tag geht es an die Nordküste der Insel nach Nungwi und damit an die Touristenhochburg auf Sansibar. Vor 6 Jahren machte ich Bekanntschaft mit Michael aus München. Er hat sich seit Jahren mit seiner Frau aus Südafrika als Tauchlehrer in Nungwi niedergelassen und hier eine deutsche Tauchschule aufgebaut. Die letzten 10 Kilometer der Straße waren damals in einem derart miserablen Zustand, dass mir die Strecke immer in Erinnerung bleiben wird. Riesige Schlaglöcher, die mir damals jeden Spaß am Radfahren vermiesten, zwangen mich zur Slalomfahrt. Für mich war diese Straße eine der schlechtesten Straßen in Afrika. Doch diesmal kann ich meine Fahrt ganz bequem auf einer neu asphaltierten Straße machen. Ein angenehmes Gefühl, wenn ich an meine schlimmen Befürchtungen denke, diesen Weg noch einmal mit dem Fahrrad bewältigen zu müssen. Michael ist mit seiner Tauchschule noch immer dort und erinnert sich auch noch an den „verrückten“ Deutschen, der mit dem Rad durch Afrika fuhr. „Es ist nicht mehr wie vor 6 Jahren“, erklärt er mir, „die Zahl der Touristen hat seitdem stetig zugenommen“. Natürlich geht die Zeit auch am schönsten Strand von Sansibar nicht spurlos vorüber, und trotzdem wird man hier noch nicht von Massen von Touristen erdrückt, wie sie in einigen Plätzen Europas anzutreffen sind. In diesem Teil der Insel machen sich die Gezeiten weit weniger stark bemerkbar als an der Ostküste. Viele hoch gestylte jugendliche Massai sind hier anzutreffen. Sie verdienen sich ihren Unterhalt durch den Verkauf von Schmuck und treten auch vermehrt als bezahltes Fotomotiv für viele Touristen auf.  
Auf der Rückreise nach Stonetown komme ich bei Rose und Fritz vorbei. Die beiden Deutschen haben sich die „Hakuna-Matata-Beach-Lodge“ aufgebaut (unter www.hakuna-matata-beach-lodge.com auch im Internet zu sehen; unter dem neuen Namen Chuini Zanzibar Beach Lodge). Als sie vor einigen Jahren das Grundstück kauften, wussten sie noch nichts von den Ruinen, die sich auf ihrem Grundstück befanden. Die kamen erst bei der Rodung ihres gekauften Landstückes zum Vorschein. So haben sie diese alten Gemäuer liebevoll in ihre Anlage integriert. Im Nachhinein betrachtet war es für sie ein absoluter Glücksfall. Eigentlich will ich hier nur frühstücken, aber sie laden mich ein, die Annehmlichkeiten ihrer Anlage noch ein wenig zu nutzen und so verbringe ich den Vormittag an der Poolanlage und nutze die Bibliothek mit deutscher Literatur. Letztlich tausche ich noch meinen einzigen mitgenommenen Krimi mit einem Neuen aus. Ich will heute noch die Nachtfähre um 22:00 Uhr von Stonetown Richtung Festland nehmen. Als eine Stunde vorher ankomme, ist der Kahn bereits überfüllt. Auf allen Gängen und Sitzbänken sind schon Isomatten für die Nacht ausgebreitet. Nur mit Mühe finde ich noch ein leeres Plätzchen. Wenn ich mich umblicke, bin ich der einzige Weiße an Bord der Fähre. Viele Familien mit Kindern nutzen die günstige Nachtfähre, um aufs Festland zu kommen. Um 23:00 Uhr legen wir mit einer Stunde Verspätung dann endlich ab. Angesichts der schwülen Enge und der ständigen Unruhe und Querelen der vielen kleinen Kinder an Bord, finde ich in der Nacht kaum Schlaf. So bin ich ziemlich gerädert, als wir endlich um 6:00 Uhr in Dar es Salam ankommen und ich mein Bike startklar machen möchte. Leider muss ich feststellen, dass einer der Passagiere sich in der Nacht übergeben hat und die Spuren davon auf dem Rahmen meines Fahrrades gut zu sehen sind. So suche ich mir erst einmal am Hafen einen Schlauch mit Wasser, damit ich diese Hinterlassenschaften beseitigen kann. Nachdem ich mir die Müdigkeit aus den Augen gerieben habe, geht es auf die erste Etappe. Eine echte Freude, dass es nun endlich losgeht, will bei mir nicht so recht aufkommen. Erst in den letzten Tagen auf Sansibar habe ich mich entschlossen, die Küste entlang nach Bagamoyo zu radeln und damit mindestens einen Tag (oder 100 Kilometer) unbefestigte Wege zusätzlich in Kauf zu nehmen. Aber das Ziel Bagamoyo scheint mir den Umweg wert zu sein. Bagamoyo ist der ehemalige Regierungssitz von Deutsch-Ostafrika. Das 1895 gebaute Regierungsgebäude der Deutschen ist auch heute als Ruine noch ein beeindruckendes Bauwerk. Unweigerlich ist man versucht, sich in die damalige Zeit zurück zu versetzen. An jeder Ecke der Stadt bekomme ich alte deutsche Münzen zum Kauf feilgeboten. Doch richtig fasziniert und gleichzeitig bedrückt, haben mich die senkrecht in den Boden einbetonierten Eisenstangen, an denen die Sklaven damals angekettet waren, die auf ihre Verschiffung nach Sansibar gewartet haben. Stählerne Zeitzeugen einer äußerst grausamen Zeit. 
Ich radle bis zur Travellers Lodge, die direkt am Strand liegt und auf mich einen sehr gepflegten Eindruck macht. Frank ist Deutscher und Besitzer der Lodge. Er ist ungefähr in meinem Alter. Meine bayerische Flagge am Rad hat sofort seine Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Er erzählt mir, dass er sich 1991 hier niedergelassen hat, nachdem er die Jahre vorher als Weltenbummler durch viele Länder gezogen ist. Unter www.bagamoyo.com/travellers-lodge kann man sich ein Bild von seiner Lebensgeschichte machen. „Damals wollte keiner nach Bagamoyo, heute ist die Stadt bei Touristen sehr beliebt“. Seit er sich für wenig Geld das Grundstück kaufte, baut er ständig an seiner Travellers Lodge weiter. Auch heute noch sind viele seiner Ideen nicht umgesetzt, wie er mir sagt. „Von Dumont war auch schon eine Reisebuchautorin bei mir“, erklärt er mir etwas schmunzelnd mit Blick auf meinen Dumont-Reiseführer, „aber ich glaube, die hatte an diesem Tag etwas getrunken, denn all das was sie anschließend in den Reiseführer schrieb, entsprach überhaupt nicht meinen Antworten auf ihre Fragen“. In diesem Jahr hat er sich erstmals einen Geschäftsführer eingestellt und deshalb auch mehr Zeit für seine Hobbies wie zum Beispiel das Rennradfahren. Und das trotz seiner drei Schachteln Zigaretten am Tag, wie er mir nicht ganz ohne Stolz verkündet. „Mein letztes Rennen habe ich gewonnen, weil die Einheimischen loslegten wie die Feuerwehr und nach der Hälfte der Strecke waren sie dann platt. Da bin ich in Führung gegangen und hab diese auch nicht mehr abgegeben“. Am Ende gibt er mir noch einen guten Tipp. Ich solle doch, wie viele Einheimische hier, den schmalen Weg der Bahnlinie entlang fahren, so könnte ich einige Kilometer einsparen und hätte nur ebenes Gelände. „Ich selbst bin diesen Weg noch nie gefahren“ gibt er allerdings zu verstehen, „aber die Einheimischen sagen, es wäre durchgängig möglich“. Die Entscheidung darüber will ich mir bis zum nächsten Tag aufheben, denn damit verbunden ist auch ein großes Risiko, da ich nur wenig Kontakt zu den Menschen hier hätte, falls größere Probleme auf mich zukämen. Ich genieße das hervorragende Essen der Travellers Lodge und den phantastischen Sternenhimmel, der sich mir heute Nacht auftut. Hier in Afrika kann ich diesen großartigen Anblick immer wieder erleben. Abermillionen Sterne funkeln mir entgegen und zeigen mir die Milchstraße in voller Pracht. Am liebsten würde ich den phantastischen Sternenhimmel die ganze Nacht hindurch beobachten.
Als ich am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang starte, regnet es; eine halbe Stunde später habe ich auf den sandigen Pisten meinen ersten Platten. Schnell sind mehrere fleißige Helfer mit Werkzeug und einem wassergefüllten Eimer neben mir. Auf das Werkzeug kann ich getrost verzichten, da ich selbst wesentlich besseres dabei habe. Aber mit dem Wasser ist es mir möglich, den Schlauch gleich zu flicken und nicht, wie sonst üblich, einfach durch einen Neuen zu ersetzen. Kurze Zeit später stehe ich am Bahngleis und auch zwangsläufig vor meiner hinausgeschobenen Entscheidung. Ich betrachte kritisch den schmalen und sandigen Pfad entlang der Gleise, entschließe mich aber trotzdem diesen Weg einzuschlagen – no risk, no fun. Anfangs muss ich noch ständig vom Rad, um den vielen Mopeds, die mir entgegenkommen oder mich überholen, auszuweichen. Doch der Weg wird immer schmaler, die Menschen auf ihren Rädern oder Mopeds weniger, der Regen heftiger und der Sand tiefer. Bereits nach 40 Kilometer bereue ich deshalb schon meine Entscheidung. Der nasse Sand spritzt mir in die Augen, doch den gleichen Weg wieder zurück möchte ich nicht mehr fahren. So kämpfe ich mich an diesem Tag bis nach Wapi durch. Wapi ist ein winziges Nest mit nur wenigen Einwohnern und einem verlassenen Geisterbahnhof. Auf meine Frage, wie weit der Sadani Nationalpark noch weg ist, bekomme ich 20 Kilometer genannt. Doch die Entfernungsangaben der Afrikaner sind mit äußerster Vorsicht zu bewerten. Da werden aus den 20 Kilometern schon leicht mal das drei- oder vierfache. In diesem Fall habe ich die richtige Information bekommen. Dort im Sadani Nationalpark finde ich schließlich Unterkunft und Verpflegung. Die 80 Kilometer des Tages waren ein hartes Stück Arbeit und so bin ich froh, noch ein kühles Safari Bier und mein schon übliches Hähnchen mit Chips zu bekommen. 
Am Morgen regnet es noch schlimmer als die Tage davor. Auch deshalb entschließe ich den Weg entlang der Bahnlinie aufzugeben und über einen kleinen Umweg zur Hauptstraße zwischen Dar es Salam und Moshi zurückzukehren. Durch den Regen haben sich die Nebenstraßen in schwierige Pisten verwandelt. Der tiefe Sand erschwert das Radfahren ungemein, die Körner spritzen mir auch heute wieder in die Augen. Unglücklicherweise habe ich meine Sonnenbrille in Bagamojo zerbrochen, so dass ich meine Augen weder gegen den hochspritzenden Sand noch gegen Sonne schützen kann. Die Moskitos haben auf meinem Rücken durch mein nasses T-Shirt wohl ihren Lieblingsplatz entdeckt. Ich schlage ständig wegen der lästigen Tiere auf meinen Rücken. Auf Fahrradhandschuhe hatte ich schon vor der Reise verzichtet, auch das sollte sich schließlich als Fehler erweisen. Es fällt mir bei dem Regen und dem Schweiß auf meinen Händen schwer, meine Gripp-Schaltung am Fahrrad zu betätigen, ich rutsche mit den Händen durch und kann die Gänge nur noch mit einem trockenen Teil des T-Shirts am Lenkergriff schalten. Mein Fahrrad steht mittlerweile vor Dreck, bergauf steige ich vom Rad und schiebe nach oben. Der nasse Sand klebt zentimeterdick an den Stollenreifen und blockiert diese beim freien Lauf durch die Lenkergabel. Beim Schieben meines Fahrrades kann ich wenigstens die langen Dornen der am Boden liegenden Akazienäste, denen ich immer wieder ausweichen muss, besser erkennen. Für einige wenige Kilometer finde ich eine Mitfahrgelegenheit auf der Pritsche eines LKW´s. Ich bin froh hier ein paar Kilometer überbrücken zu können. Jeder Kilometer zehrt so sehr an meiner Substanz. Warum nur tue ich mir diese Tortur an und warum habe ich diesen Weg eingeschlagen. Ich finde keine Antwort auf meine Fragen. Den Rest der Tagesstrecke fahre ich unter größter Anstrengung wieder mit meinem eigenen Untersatz. Am Ende des Tages bin ich froh, wieder zurück auf der Hauptstraße nach Moshi zu sein.
Bis Moshi will und kann ich mir keinen Abstecher mehr erlauben. Schließlich muss ich pünktlich zum Ende des Monats dort ankommen, da von Moshi meine Tour auf den Kilimanjaro startet. In den Folgetagen komme ich auch mit 80 bis 100 Tageskilometer sehr zügig voran. In Hedaru finde ich ein kleines Guesthouse. Die Besitzer kümmern sich liebevoll um mein Wohlbefinden. Auf dem Speiseplan stehen heute Spagetti und, na ja wie immer, Hühnchen, diesmal als Chicken wings getarnt. Es gibt, wie so oft in Afrika, auch hier keine Alternative. In Hedaru treffe ich Mrimi. Er ist Lehrer im Ort und begeisterter Fußballfan. Wir stellen fest, dass wir auch gleich alt sind, und so können wir gemeinsam über vergangene Fußballzeiten philosophieren. Ich bin überrascht, wie gut er sich nicht nur über den deutschen Fußball auskennt, sondern auch wie gut er über unsere Politiker und die aktuellen politischen Themen in Deutschland informiert ist. Kaum ein Politikername ist ihm unbekannt und erst recht kein Name eines deutschen Fußballspielers. Er erzählt mir über seine Videosammlung aller Europa- und Weltmeisterschaften und könnte mir fast jedes Spiel bei ihm Zuhause zeigen. Vor allem auch die Spiele der deutschen Nationalmannschaft haben es ihm angetan. „Da Tansania bei großen Meisterschaften ja leider immer durch Abwesenheit glänzt, bin ich halt für Italien und Deutschland“ erklärt er mir. Und so kennt er jeden deutschen Spieler, der ab den 70er Jahren für die Nationalmannschaft kickte. Ich bin absolut beeindruckt und kann lediglich noch punkten, weil ihm ein Spieler entfallen ist. „Thomas Häßler“ sage ich spontan und kann damit zumindest ein wenig eigene Fachkenntnis nachweisen. Als ich schon längst wieder Zuhause bin, schreibt er mir eine E-Mail mit der Feststellung: „WOW – THE BUNDESLIGA WAS FULL OF SRURPRISE“ (Anm.: Wolfsburg wurde in diesem Jahr völlig überraschend hart umkämpfter deutscher Meister). Er selbst war in jungen Jahren ebenfalls als Fußballer aktiv und schaffte es immerhin bis in die 2te Liga von Tansania. „But I was no profi, always an amateur“ erzählt er mir. Auch den Kilimanjaro hat er schon 4mal bestiegen. Aber nur auf der Marangu Route, der sogenannten Coca Cola Rute, gibt er mir zu verstehen, der leichtesten Aufstiegsroute, auf der auch feste Unterkünfte vorhanden sind. „Alle anderen Touren wären mir zu anstrengend gewesen, außerdem bin ich mittlerweile zu alt dafür“. Diesen Satz wollte ich nun überhaupt nicht hören. Gerade haben wir noch festgestellt, dass wir im gleichen Jahr geboren sind, schon fühl ich mich um Jahre jünger, denn aufgrund meines Alters kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen, die Gipfelbesteigung zu unterlassen. 
Wir verabreden uns nochmal zum Abend, um gemeinsam ein paar Kili Biere zu trinken. Er bringt seine Frau und einige Freunde mit. Auch Azaza, eine Bedienung des Lokals, setzt sich zu uns und so haben wir am Abend ein sehr geselliges Zusammensein, zumal auch noch eine Hochzeitsgesellschaft mit vielen ausgelassenen Gästen in unserem Lokal feiert. 
Am nächsten Morgen bin ich rechtzeitig zum Sonnenaufgang auf meinem Rad. In Same, ca. 100 Kilometer vor Moshi, bleibe ich spontan stehen und blicke nach oben. Kann das wirklich sein? Sicherheitshalber lasse ich mir von den Einheimischen noch bestätigen was ich gerade sehe. Vor mir zeigt sich der Kilimanjaro in voller Pracht. Fast 7000 Kilometer bin ich von Kapstadt zum Kili geradelt und heute sehe ich ihn vor mir. Was für ein überwältigendes Gefühl. Mit neuer Energie geht es jetzt für mich weiter. Am nächsten Tag bin ich in Moshi, einen Tag früher als geplant. Ich fahre gleich ins Honey Badger Hotel, meinem Ausgangspunkt für den Kilimanjaro. 

Siehe Bericht: Auf den Kilimandscharo

Ich bleibe noch eine Nacht im Honey Badger Hotel. Schon vor unserer Kilimanjaro Besteigung erfahren wir hier von einem einzigartigen Projekt in Tansania. Mama Lucy, die Chefin des Hotels und ihr Mann sind Initiatoren und Mentoren dieses Projektes mit dem Namen „Second Chance“, dass sie 2004 gegründet haben. Junge Menschen bekommen hier eine zweite Chance ihre Schulbildung nachzuholen. Die zweite Chance einer Schulbildung ist für junge Menschen besonders hier in Afrika wichtig, denn viele Kinder gehen trotz offizieller Schulpflicht nicht zur Schule, weil die Umstände in der Familie es nicht zulassen. Häufig sind sie bereits in jungen Jahren wichtiger Bestandteil zur Ernährung ihrer Familie, indem sie Minijobs ausüben oder auch nur zum Betteln geschickt werden. Manchmal liegt es aber auch nur daran, dass der Schulweg für die Kinder zu weit ist und öffentliche Verkehrsmittel vor Ort nicht zur Verfügung stehen. Diesen Kindern versucht Mama Lucy mit diesem Projekt zu helfen. So kommen junge Erwachsene aus allen Teilen des Landes hier her, um ihre Schulausbildung nachzuholen. Es ist ein wichtiges und positives Signal, denn nur durch Bildung lassen sich viele Probleme afrikanischer Länder lösen, aber es ist sicher auch nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. 
Wir besichtigen die Klassenzimmer und sprechen mit den Schülern und Lehrern, die sich uns gegenüber sehr aufgeschlossen zeigen. Sobald wir das Klassenzimmer betreten, erheben sich die Schüler von ihren Stühlen und stehen stramm neben ihrem Tisch. Ein wenig fühle ich mich in die erste Klasse meiner Schulzeit erinnert. Einige Klassenzimmer, verschiedene Aufenthaltsräume und eine Sammelunterkunft stehen für dieses Projekt bereits zur Verfügung. Aber es fehlt noch an weiteren Klassenzimmern und an Unterrichtsmaterial zur Ausbildung der Schülerinnen und Schüler. Viele von ihnen übernachten in den Sammelunterkünften im Nebengebäude. Doch Mama Lucy meint, sie könnte noch wesentlich mehr Schüler in diesem Projekt aufnehmen, wenn die begrenzten Räumlichkeiten es zulassen würden. Platz für neue Gebäude ist da, es fehlt jedoch an den finanziellen Möglichkeiten zur baulichen Erweiterung. Momentan ist eine Küche in Planung. Der Bau dieses Gebäudeanbaus soll schon sehr bald beginnen. Ich verspreche ihr, Projektgelder zu sammeln, sobald ich wieder zurück in Deutschland bin. Unter der Internetadresse www.secondchanceeducation.org ist das Projekt und die aktuellen Fortschritte dargestellt.
Ich muss nach einem Tag Erholung meine weitere Reise planen. Zunächst gebe ich auf der Post in Moshi mein Paket mit der Bergsteigerausrüstung für die Rücksendung nach Deutschland auf. Auch diese Sendung kostet mich 50 Euro Portogebühr. Wenn ich die Kosten für beide Postsendungen zusammenrechne, hätte ich mir sicherlich auch hier in Moshi die notwendige Ausrüstung leihen können. Aber dann wäre mir das rekordverdächtig frankierte Paket zurück in Deutschland entgangen. Als ich nämlich 2 Wochen später nach Hause komme, ist das Paket bereits angekommen und mit sagenhaften 120 Briefmarken frankiert. Vor lauter Briefmarken ist das Packpapier nicht mehr zu erkennen. 
Hier in Moshi werde ich immer wieder gefragt, ob ich mein Fahrrad verkaufen möchte. Auch wenn mein Modell schon in die Jahre gekommen ist, ist es für die Menschen hier ein echter „eye catcher“. Aber natürlich steht der Verkauf für mich absolut außer Frage. Und so vertröste ich alle Interessierte und mache ihnen klar, dass sie sich mein Rad wohl niemals leisten könnten. Ich habe noch weitere zwei Tage Reserve in meiner Terminplanung, bevor ich meine Tour rund um den Kilimanjaro bis nach Nairobi fortsetze. Deshalb begleite ich Wolfgang noch einen Tag auf seiner Safari in den Raushat Nationalpark. Im Raushat Nationalpark befindet sich auch der Mt. Meru. Er ist mit 4556 Meter Höhe ein idealer Berg für die Vorbereitung und Akklimatisierung, um anschließend auf den Kilimanjaro zu steigen. Teilnehmer, die vorher den Mt. Meru bestiegen haben, gehen jedenfalls mit einer erheblich größeren Erfolgschance auf den Kili. Wir richten unser Augenmerk aber hauptsächlich auf die Tierbeobachtung. Auch wenn die Möglichkeiten für Wildbeobachtung hier nicht besonders gut sind, genieße ich die Vielzahl der Flamingos und die herrlichen Seen im Nationalpark. 
Nach der erfolgreichen Besteigung des höchsten Berges in Afrika, richte ich mein Augenmerk der letzten beiden Woche wieder auf meine Radtour. Ich habe mir schon zuhause vom Internet eine Mountainbike Tour um den Kilimanjaro ausgedruckt. Allerdings wird bei der Beschreibung auf „…große Höhenunterschiede, die unter großer Anstrengung auf schlecht ausgebauten Straßen zu bewältigen sind“ hingewiesen. Ich habe ja auch noch vier Satteltaschen und einen Rucksack bei mir. Das macht die Sache sicher nicht einfacher. Deshalb will ich spontan an der Grenze zu Kenia entscheiden, ob ich am dritten Tag schon frühzeitig in Kibouni nach Kenia einreise oder noch weiter bis Namanga auf der tansanischen Seite auf dieser Mountainbike Tour bleibe. Wenn ich jedoch schon in Kibouni nach Kenia einreise, müsste ich bereits hier in Moshi Kenia Schillinge eintauschen, da ich mir nicht sicher bin, ob und wann ich nach der Grenze wieder eine Bank finde. Und noch eine weitere Überlegung bereitet mir Kopfzerbrechen. Fahre ich frühzeitig nach Kenia ein, kann ich nur durch den Amboseli Nationalpark nach Nairobi weiterreisen. Die Durchfahrt mit dem Rad ist aber sicherlich verboten und auch das Risiko außerhalb des Amboseli Nationalpark mit gefährlichen Tieren zusammen zu stoßen, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls schätzen die Einheimischen, mit denen ich spreche, die Lage eher als gefährlich ein und raten mir, schon frühzeitig eine Mitfahrgelegenheit auf einer LKW Ladefläche zu suchen. Doch auch auf der tansanischen Seite ist die Möglichkeit wilden Tieren zu begegnen nicht ganz vollständig auszuschließen. Wie immer werde ich spontan und nach meiner persönlichen Einschätzung vor Ort und aus dem Bauch heraus entscheiden, wie die Reise weitergehen soll. Zunächst muss ich ja erst mal wieder auf mein Bike und den letzten Teil meiner Tour beginnen. So fahre ich am ersten Tag bis nach Marangu und schlage am Campingplatz des gleichnamigen Hotels mein Zelt auf. Auch wenn der erste Tag noch auf Teerstraßen verläuft, geht der Weg stetig und steil nach oben. Hier in Marangu ist auch der Ausgangsort für die meistgelaufene Route auf den Kilimanjaro - die Marangu Route oder auch etwas abfällig Coca Cola Route genannt. Sie ist sicher die einfachste, weil auch einzige Tour mit festen Unterkünften. Hier im Marangu Hotel begegnen mir viele Touristen mit dem Ziel, in den nächsten Tagen ebenfalls auf dem Uhuru Peak zu stehen. Ich verspüre eine gewisse Genugtuung, habe ich doch schon alle Strapazen hinter mir gebracht. Ich könnte ihnen sagen, was sie erwartet, könnte ihnen sagen, wie schwer die letzten Meter sind, aber ich denke sie sollen diese Erfahrung selbst machen. Am nächsten Tag beginnt die echte Mountainbike Strecke mit unbefestigten Straßen, vielen Schlaglöchern, waschbrettartigen Querrillen und viel Staub, so dass man die Hand vor die Augen halten muss bei jedem vorbeidonnernden LKW. Es ist eine echte Tortur. Dazu kommen noch unzählige Baustellen auf der Strecke, die das Fortkommen noch viel beschwerlicher machen. Vor allem die vielen Querrillen, von denen ich mit meinem ungefederten Bike fast jede einzelne spüre und der Staub der extrem trockenen Straßen machen mir und meiner Psyche schwer zu schaffen. Es sind die Tage, in denen sich meine Meinung festigt, dass solche Touren nur zu zwanzig Prozent von den physischen Voraussetzungen abhängen, aber zu achtzig Prozent Kopfsache sind. Es wäre so einfach, mein Fahrrad in die Ecke zu stellen und die ganze weitere Fahrt nach Mitfahrgelegenheiten zu suchen – wenn es nur gehen würde. Sicher, es geht, aber dafür habe ich nicht die Reise wochenlang geplant, bin schon fast 7000 Kilometer durch den Kontinent geradelt, um hier und jetzt zu kapitulieren. Nein, mein Ego treibt mich Kilometer für Kilometer voran. Und am Ende des Tages stehen, wie an so vielen anderen Tagen, weitere 70 oder 80 Kilometer auf meinem Tacho. Wieder ein kleiner Erfolg. Wieder ein Stück abgeknabbert von meinem weiten Weg zum Mittelmeer. Eine Strecke mit vielen kurzen aber interessanten Begegnungen mit den Menschen hier und mit vielen Pausen, um den Flüssigkeitsverlust wieder auszugleichen oder einfach nur um wieder Kraft zu tanken. Eine Strecke mit unzähligen Spurwechseln, um den scheinbar Abermillionen Querrillen auszuweichen, um so meine Bandscheibe ein wenig zu entlasten und mein Fahrrad und die Satteltaschen etwas zu schonen. Eine Strecke, auf der ich tausendmal mein Vorhaben verflucht und alle LKW Fahrer zum Teufel gewünscht habe. Eine Strecke, an deren Ende der Sand zwischen meinen Zähnen knirscht und eine dicke Staubschicht auf meiner Haut klebt, aber mir doch die Freude ins Gesicht steht, weil ich es wieder mal geschafft habe. Ich bin mir angesichts der vielen Baustellen spätestens jetzt sicher, so früh wie möglich nach Kenia einzureisen. Aber noch steht mir ein weiteres gefährliches Ereignis bevor.
Kurz vor Kenia fahre ich links neben der Straße in einer staubigen Spurrille leicht bergan, um dem rauen Teerbelag einer neu zu asphaltierenden Straße auszuweichen. Die Sonne steht jetzt zur Mittagszeit fast senkrecht und so ziehe ich mir meine Schildmütze weit ins Gesicht hinein, um auf diese Weise möglichst viel Schatten zu bekommen. Plötzlich und völlig unerwartet kommt mir ein junger Afrikaner in voller Fahrt auf seinem Rad entgegen. Ich sehe ihn erst viel zu spät, um noch rechtzeitig reagieren zu können. Auch meine Vollbremsung bleibt wirkungslos, da er in hohem Tempo den Berg hinabfährt. Es folgt das Unausweichliche. Wir stoßen nicht nur mit den Rädern, sondern auch mit unseren Köpfen frontal zusammen und bleiben beide am Straßenrand liegen. Ich verspüre eine leichte Kopfwunde und mein rechter Arm schmerzt. Noch bevor ich mich wieder gefasst habe und reagieren kann, springt der junge Mann auf und rennt wie wild einige hundert Meter von der Unfallstelle davon. Mittlerweile hat sich eine kleine Menschenmenge gebildet von den Autofahrern, die angehalten haben und den Passanten, die gerade zufällig des Weges sind. Mein Fahrrad scheint einigermaßen heil geblieben zu sein, abgesehen von einer verbogenen und gebrochenen Halterung für meine Satteltaschen. Doch dieser Schaden lässt sich durch ein Stück Draht relativ leicht beheben. Mein Unfallgegner beobachtet das Geschehen aus sicherer Entfernung. Sein Fahrrad liegt immer noch am Straßenrand neben meinem. Meine erste Wut auf ihn ist riesengroß, denn die Schuld liegt eindeutig bei ihm, da er auf der falschen Straßenseite fuhr. Und jetzt kann ich ihm nicht mal meine Meinung dazu sagen. Doch sehr schnell überwiegt bei mir auch die Erkenntnis, ungeheures Glück gehabt zu haben. Was wäre wohl passiert, wenn ich mit gebrochenen Knochen oder einer Gehirnerschütterung auf ärztliche Hilfe angewiesen wäre. Hier in einem kleinen afrikanischen Dorf möchte ich es mir gar nicht erst ausmalen. Ich hatte noch mal Glück im Unglück. Meine Kopfverletzung erweist sich nur als kleine Platzwunde und der Arm hat wohl auch nur eine Prellung abbekommen. Nach einer halben Stunde nehme ich die Weiterfahrt wieder auf und kümmere mich nicht mehr um meinen Unfallgegner. Der befindet sich immer noch in sicherer Entfernung vor mir und bewegt sich erst wieder, als ich den Ort des Unfallgeschehens verlasse. Ich komme an diesem Tag noch bis nach Kibouni und nehme mir erst mal eine Dusche, um die dicke Staubschicht auf meiner Haut wieder abzuwaschen. Am nächsten Morgen reise ich nach Kenia ein und bekomme an der Grenze für 20 Dollar ein Transit Visum, gültig für die nächsten sieben Tage. Den Tipp ein Transit Visum zu beantragen und damit nur halb so viel zu bezahlen, bekam ich in Moshi und er funktioniert für mich auch, weil ich nur noch sechs weitere Tage in Kenia vor meinem Rückflug zur Verfügung habe. Ich bin jetzt in Kenia angekommen und habe nun laufend Begegnungen mit Stammesmitgliedern der Massai, die hier leben. Solange ich hier noch Menschen auf der Straße begegne, sehe ich auch keinen Grund, wegen möglicher wilder Tiere meine Fortbewegungsart zu wechseln. Nur die nicht mehr enden wollenden Querrillen auf den Staubstraßen könnten mich vielleicht dazu bewegen. Noch aber will ich nicht daran denken und erfreue mich an den vielen Begegnungen mit Zebras und Giraffen auf freier Wildbahn. Als ich eine kleine Pause am Straßenrand einlege, stürmen plötzlich alle Schulkinder einer Schulklasse mir entgegen und umzingeln mein Fahrrad. Alle Mädchen und Jungs in Schuluniform stehen um mich herum, fassen mich schüchtern an oder staunen mit großen Augen über mein Erscheinen. Kurz darauf höre ich einen lauten Schrei, der wohl eindeutig von ihrer resoluten Lehrerin kommt und schon läuft die gesamte Klasse wieder zurück zur Schule. Auch wenn die Neugier auf den komischen fremden Weißen auf einem Fahrrad groß war, der Respekt vor ihrer Lehrerin war wohl noch größer. 
Am Gate des Amboseli Nationalparks bekomme ich mit meinem Bike wie ich schon erwartet habe Einfahrverbot. So beziehe ich zunächst meine Unterkunft vor den Toren des Nationalparks in einer Zeltanlage gleich neben den Dörfern der Massai. So kann ich mit vielen Massai unmittelbar Kontakt aufnehmen. Dabei hilft mir mein Fahrrad in besonderer Weise. Alle wollen damit eine kleine Runde drehen. Einer nach dem anderen schickt sich an, mein Fahrrad in Beschlag zu nehmen. Ich begleite sie auf ihrer Probefahrt, indem ich im Gegenzug eines ihrer Räder ausleihe. Anschließend zeigen sie mir ihr Dorf, ihr Vieh und natürlich ihre Familien. In den Gesichtern der Kinder spiegelt sich Neugier wider, auf ihren Gesichtern tummeln sich tausende Fliegen, die scheinbar ständige Begleiter dieser Kinder sind. Teilweise schauen sie kaum noch aus ihren Augen, so sehr werden sie von den Fliegen malträtiert. Mich faszinieren ihre selbst gebastelten Schuhe aus alten Autoreifen – Michelin, Dunlop, Pirelli und Goodyear heißen deshalb ihre angesagten Markenschuhe, die sicher nicht von der Stange zu bekommen sind. Woher ich komme und wohin ich reise, möchten sie alle wissen. Mit meiner Reise ernte ich hier allergrößten Respekt, denn keiner von ihnen kann sich wirklich vorstellen, von Dar es Salaam bis nach Nairobi zu radeln. Selbst die letzten 400 Kilometer nach Nairobi scheinen für sie mit dem Rad unvorstellbar zu sein. Deshalb bekomme ich meist nur ein fragendes Lächeln, wenn ich mein Ziel bekannt gebe. Ich freunde mich ein wenig mit einem noch jungen Massai namens Boy an. Er zeigt mir voller Stolz seine Ziegen und Rinder und entschuldigt sich schon fast dafür, nur EINE einzige Frau zu besitzen, die er mit seinem Viehbestand ernähren kann. Aber das wird sich noch ändern, wie er mir glaubhaft versichert. Alle Massai Männer besitzen in der Regel mehrere Frauen, zeigt doch die Anzahl der Frauen als Statussymbol der Massai Männer auch ihren Wohlstande auf. „I want to invite you to my home“. Ich bedanke mich herzlich für seine Einladung und begleite ihn in seine Hütte. Dort hat Boy’s Mutter in der Zwischenzeit einen heißen Tee gebraut. Wegen den hygienischen Verhältnisse bin ich immer sehr vorsichtig bei der Nutzung von fremden Geschirr oder Wasser aus der Leitung oder aus irgendwelchen unbekannten Quelle. Doch ich will seine Gastfreundschaft nicht enttäuschen, zumal das Wasser zur Teezubereitung abgekocht wurde. So sitze ich in einer kleinen dunklen Lehmhütte, fast ohne Tageslicht und schlürfe meinen viel zu süßen Tee. Große Fenster werden in diesen Häusern vermieden, um der Moskitoplage Herr zu werden. In meiner Phantasie male ich mir aus, wie es wohl ist, hier im Dorf zu leben: ohne Strom, ohne fließendes Wasser und mit der eigenen Familie auf engstem Raum in einer dieser dunklen Lehmhütten. Ich kann es mir nicht vorstellen und würde es auch nicht erfahren wollen. Mir kommt das Buch über „die weiße Massai“ in den Sinn. Eine hübsche Schweizerin hat sich entschieden einen Masaai Krieger zu heiraten und ihr Leben in einem Massai Dorf zu verbringen. Ich bekomme größten Respekt vor der Entscheidung dieser weißen Frau freiwillig in diesem Kulturkreis leben zu wollen. Von Boy bekomme ich noch ein wenig Kettenöl für meine Fahrradkette. Dafür gebe ich ihm etwas von meinem Flickzeug ab. Drei Tage verbringe ich hier bei den Massai, dann geht meine Reise weiter. 
Zunächst muss ich durch den Amboseli Nationalpark. Ich kann einen Parkranger engagieren, um mein Bike auf dem Dach seines Ranch Rovers durch den Park zu transportieren. Hier sehe ich zum ersten Mal auch Löwen, nachdem ich auf allen meinen Afrikareisen zuvor erfolglos nach ihnen Ausschau gehalten habe. „Du hast echt Glück“ sagt mir der Ranger, „Löwen bekommt man hier nur sehr selten zu Gesicht“. Dass ich auf meinen früheren Reisen schon viele Male kein Glück hatte, erzähl ich ihm nicht. „Auf Wiedersehen“ steht in deutscher Sprache über dem Gate, als ich den Park wieder verlasse.
Ich sollte auf der restlichen Strecke bis nach Nairobi problemlos vorankommen. Doch mittlerweile sind alle Satteltaschen dermaßen beansprucht, dass sie mir ständig in die Speichen ragen. Mit viel Klebeband versuche ich die deformierten Teile wieder „in Form“ zu bringen. Sämtliche Schrauben ziehe ich täglich nach, nachdem sich auch meine Halterung für das Vorderlicht verabschiedet hatte, zu Boden fiel und zu Bruch ging. Eine Schraube hatte sich einfach durch die vielen Erschütterungen gelöst. 
Fünfzig Kilometer vor Nairobi plane ich meine letzte Übernachtung auf dem Zeltplatz einer Straußenfarm ein. „Jetzt habe ich nur noch Teerstraßen und es sollte die restlichen Kilometer nichts mehr passieren“, trage ich in mein Tagebuch ein. Ich freue mich zu früh. Auch wenn ich den letzten Tag am Swimmingpool der Farm relaxen kann, gesellen sich in der Nacht Millionen von Ameisen zu mir. Ab Mitternacht komme ich kaum noch zum schlafen, bin ich doch ständig mit der Entsorgung dieser Krabbeltiere beschäftigt. So trete ich völlig gerädert und von der Nacht gezeichnet meine letzten Kilometer auf Kenias Straßen an. Zum Glück befindet sich der Flughafen etwas außerhalb direkt auf meiner Anfahrt nach Nairobi. Mit den vielen Baustellen und den unzähligen Kilometern auf nicht geteerten staubigen Ausweichstraßen hatte ich jedoch nicht mehr gerechnet. Mein letzter Tag in Kenia wird gleichzeitig der Tag, an dem ich so viel Staub wie noch nie vorher in Afrika schlucken muss. Ich verfluche jeden einzelnen LKW Fahrer und nur mein Wissen bald anzukommen, lassen mich weiterradeln. Endlich am Flughafen angekommen, muss ich mich erstmal umziehen, wasche noch mal meine Haare unter einem Wasserhahn und versuche so gut es geht, den Staub aus meinem Gesicht zu waschen. 
„So nehmen wir das Fahrrad aber nicht mit“ versichert mir eine Mitarbeiterin von British Airways und macht mir unmissverständlich klar, dass ich mein Bike ohne Verpackung nicht einchecken kann. So suche ich am Ende meiner Reise nach einer Lösung, wie ich die strengen Vorgaben von British Airways erfüllen kann. Zum Glück gibt es am Flughafen einen Anbieter für Transportverpackung, der mir das Fahrrad mit Klarsichtfolie auf einer Wrapmaschine transportklar macht. Doch auch diese Lösung findet keinen Gefallen bei den Verantwortlichen. So bleibt mir nur, mehrere Pappkartons zu zerschneiden und mit sehr viel Klebeband der Fahrradform anzupassen. Denn eines habe ich auf meinen vielen Afrika Touren gelernt: Irgendwie findet sich für jedes Problem auch immer eine passende Lösung.
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