Addis Abeba - Khartoum

In die Hitze des Sudans

Von den Bergen Äthiopiens in die Ebene des Sudans

Aus meinem Tagebuch

Für 2017 plane ich meine sechste Tour durch den afrikanischen Kontinent. Im Januar geht es mit der British Airways, die mir mein Fahrrad wieder kostenlos transportiert, bis nach Addis Abeba. Den Termin habe ich nach Rückfrage der deutschen Botschaft im Sudan festgelegt. „Durch den Sudan mit dem Fahrrad ist wegen der großen Hitze sicher keine gute Idee, aber wenn, dann sollten Sie den kältesten Monat im Januar planen“, haben sie meine Anfrage nach der besten Reisezeit beantwortet. Ende 2016 gab es jedoch schon eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Äthiopien. Mitte Juli 2016 entzündete sich ein neuer Unruheherd in der Region Amhara und hier besonders in den Städten Gondar und Bahir Dar, die bei Touristen sehr beliebt sind und auch in meiner Streckenplanung eine wichtige Rolle spielen. Bei einigen Demonstrationen kam es zu Ausschreitungen mit Toten und Verletzten. Derzeit wird auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes vor Reisen nach Bahir Dar und das Umland dringend abgeraten.
An dieser Region führt für mich kein Weg vorbei. Bahir Dar liegt direkt am Tanasee. Dort entspringt der Blaue Nil und schlängelt sich ca. 1700 Kilometer durch Äthiopien und anschließend durch den Sudan, bevor er sich in Khartum mit dem Weißen Nil verbindet und gemeinsam zum Mittelmeer strömt. Das möchte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Aber die überaus vorsichtigen Reisehinweise auf den Seiten des Auswärtigen Amtes sind mir bereits hinlänglich bekannt. 
Ein wenig nervös werde ich, als ich an Weihnachten immer noch kein Visum für den Sudan ausgestellt bekommen habe. Ein Touristenvisum wird erst vier Wochen vor Einreisebeginn ausgestellt und ist anschließend nur ein Monat gültig. Da ich aber schon zwei Wochen durch Äthiopien reisen werde, bleibt lediglich ein Zeitfenster von zwei weiteren Wochen um meinen Visumantrag samt Reisepass an die sudanesische Botschaft nach Berlin zu schicken und zu hoffen, dass es rechtzeitig ausgestellt wird. Zwischen den Feiertagen hat die Botschaft dort geöffnet. Und so rufe ich täglich die im Internet genannte Nummer an, um den Bearbeitungsstand meines Antrages zu erfahren. Leider gelingt es mir nicht einen Ansprechpartner ans Telefon zu bekommen. Für das Telefon fühlt sich am anderen Ende einfach niemand zuständig. Ich versuche es so lange, bis ich dann doch noch ein „Ja, hallo“ aus dem Hörer wahrnehme. Ich gebe kurz meine Personalie durch und erkläre die Dringlichkeit meines Anliegens. Doch statt einer raschen Auskunft, bekomme ich nur eine andere Telefonnummer genannt. Die Dame am anderen Ende der Leitung scheint über meinen Anruf sehr verwundert zu sein. Vielleicht ist sie als Reinigungskraft nur gerade zufällig am Telefon vorbeigekommen und hat abgehoben, denke ich mir und schmunzle ein wenig in mich hinein. Ich vergleiche also nochmals die angegebene offizielle Telefonnummer auf der Internetseite mit meiner gewählten Nummer. Keine Zweifel ich hatte richtig gewählt. Dann wähle ich die Durchwahl der neuen Nummer. Da habe ich mehr Glück. „Keine Panik“ wird mir auf Deutsch versichert, „Sie bekommen Ihr Visum in den nächsten Tagen“. Na also, geht doch. 
In der Augsburger Allgemeinen erscheint eine Woche vor meinem Abflug ein Bericht über die Tour d‘ Afrika. Bernd Beigl aus Augsburg ist einer unter den 27 Radfahrern, die versuchen werden 11.500 Kilometer von Kairo nach Kapstadt in einer Tour durchzuradeln. Die Truppe kommt mir also auf meinem Weg entgegen. Die Tour d‘ Afrika findet jährlich statt. Dabei versuchen die Radfahrer aus vielen Ländern Europas diese Strecke, der ich schon einen so großen Teil meines Reiselebens gewidmet habe, von Nord nach Süd zu durchradeln. Natürlich ist es leichter, wenn alles bereits organisiert ist und auch genügend Begleitfahrzeuge zur Verfügung stehen. Man kann sein Gepäck einfach abgeben und ist damit natürlich sehr viel leichter unterwegs. Lediglich der Flüssigkeitsbedarf für den Tag muss dann noch auf jede Etappe mitgenommen werden. Dennoch ist es eine herausragende Leistung, denn über 10.000 Kilometer unter schwierigsten Bedingungen lassen sich nicht so leicht bewältigen. Die Wenigsten erreichen wohl deshalb auch das Ziel in Kapstadt. Zu groß sind die Strapazen, die Hitze und die vielen Berge. Über Facebook schreibe ich Bernd an und erfahre, dass wir uns leider um einen einzigen Tag in Khartum verpassen. Aber sowohl mein Tag der Rückreise ist fest terminiert, als auch die Tagesetappen seiner Tour. Doch Bernd wird auf seinen ersten Etappen leider reichlich unerfreuliche Erfahrungen sammeln müssen. Das erfahre ich allerdings erst, als ich meine sechste Tour schon wieder hinter mich gebracht habe und wir zusammen an einem lauen Sommerabend bei einem gemeinsamen Bier in einem Augsburger Biergarten zusammensitzen. Auf seiner ersten Etappe nach Kairo fuhr er einem anderen Teammitglied ins Hinterrad und stürzte. Dabei verletzte er sich so sehr, dass er mit dem Flugzeug wieder die Heimreise antreten musste und eine Kiefer OP über sich ergehen ließ. „Die Schuld sehe ich nicht bei mir“, sagte er mir, „mein Vordermann bremste so plötzlich und unerwartet, dass ich nicht mehr reagieren konnte“. Natürlich fährt man in der Gruppe im Windschatten und versucht den Abstand zum Vordermann so gering als möglich zu halten. Aber es ist schon großes Pech, wenn einem dieses Missgeschick bereits am ersten Tag passiert. Er hat sich jedoch als großer Kämpfer erwiesen und ist nach seiner Operation zurück nach Khartum geflogen, um von dort seine Tour fortzusetzen, die er dann auch in Kairo erfolgreich zu Ende gebracht hat. 
Dann steht mein Fahrrad zur Abfahrt bereit, wie immer, durch meinen Freund Hubert bestens vorbereitet. Zur Sicherheit hat er mir ein neues Tretlager eingebaut und die Felge am Vorderrad ausgetauscht. Mittlerweile sind wohl bis auf den Rahmen so ziemlich alle Teile vom ursprünglichen Fahrrad ersetzt worden. Trotzdem stecke ich bei jeder Kurbelumdrehung meines über 20 Jahre alten Fahrrads viel mehr Energie hinein, als es bei einem modernen, neuen und leichtgängigem Tourenrad der Fall wäre. Aber auch das gehört zu meiner Philosophie. Als Einheit mit meinem Rad bin ich 1997 gestartet, als Einheit möchte ich auch mein Ziel erreichen. 
Fünf Tage vor meiner Abreise am 9. Januar 2017 bekomme ich dann mein Visum per Post zugeschickt. Meinem Start steht somit nichts mehr im Wege.
Am Flughafen in München angekommen, muss ich feststellen, dass mein Fahrrad als bulky luggage, also als Sperrgepäck zu „bulky“ und damit zu groß ist, um durch den Scanner geschoben zu werden. Dazu habe ich mit meinen Satteltaschen die 30 Kilogramm Freigepäck leicht überschritten. Nun geht also das Packen wieder von vorne los. Der Fahrradkarton wird auf ein kleineres Maß zugeschnitten und einige Gegenstände aus den Satteltaschen finden sich im Handgepäck wieder. Entspanntes einchecken sieht anders aus. Und kaum bin ich in Addis Abeba angekommen, gehen die Formalitäten weiter. Einen Visumantrag für Äthiopien kann ich am Flughafen stellen, sehe mich dadurch aber als einer der letzten an der langen Schlange der Passkontrolle wieder. Am Gepäcklaufband angekommen, sehe ich schon meine Satteltaschen einsam und verlassen ihre Runden drehen. Mein Fahrrad wird wohl schon vom Flughafenpersonal hereingeschoben und zur Seite gestellt worden sein, denke ich mir hoffnungsvoll. Doch nichts. Auch nachdem ich alle Ecken des überschaubaren Flughafens durchsucht habe, ein großer Karton mit meinem Fahrrad steht hier nirgendwo. Wieder fülle ich ein Formular für ein fehlendes Gepäckstück aus. „Zu 95 % wird dein Fahrrad übermorgen mit dem nächsten Flieger mitkommen“ wird mir freudig versichert. Also erst übermorgen! Das heißt zwei nicht eingeplante Übernachtungen hier in Addis Abeba. Und wenn sich die 5 % Restrisiko bewahrheiten, dann… Daran möchte ich nicht einmal denken. Denn dann wäre meine komplette Reiseplanung auf einmal über den Haufen geworfen und ich muss unfreiwillig improvisieren. 
Statt den ersten Kilometern während der kühlen Morgenstunden auf dem Rad, verbringe ich die Zeit im Warteraum des Flughafens, liege einsam auf einer harten Bank und warte bis ich in einem naheliegenden Hotel einchecken kann. 
Zum Glück kenne ich noch das Molla Guest House, nur ein paar Fußminuten vom Flughafen entfernt und natürlich das German Beer Garden Inn. Dort muss ich wohl meinen Frust mit frisch gebrautem Bier die nächsten zwei Tage herunterspülen. Wenn ich`s mir so recht überlege, verläuft der Start zwar anders als geplant, aber trotzdem nicht gerade unangenehm.
Nachdem ich am nächsten Morgen ausgeschlafen und gut gestärkt zum Flughafen gehe und mich über den Stand zur Auffindung meines fehlenden Gepäckstückes erkundige, wird mir freudig mitgeteilt, dass ich mein Fahrrad gleich mitnehmen kann. Es wurde versehentlich von den Flughafenmitarbeitern beim Entladen als Frachtgut eingestuft und in eine andere Halle weiter transportiert. Wie ärgerlich. Wegen diesem dummen Missgeschick verliere ich zwei Tage. Am liebsten würde ich gleich losfahren. Aber jetzt in der Mittagszeit zu starten spricht gegen jede Vernunft und macht deshalb keinen Sinn.  
So bereite ich alles für meinen frühen Start am nächsten Morgen vor. Selbst den Weg heraus aus Addis Abeba, der mich 14 Kilometer nur bergauf führt, fahre ich zur Probe einmal ab, um am nächsten Tag ohne Navi schnellstmöglich aus der Stadt zu finden.
Am nächsten Morgen klingelt sehr früh mein Wecker. Ich habe gestern noch alles hergerichtet und trete daher schon bald in die Pedale. Aber ich fühle mich am ersten Tag meiner Tour nicht so recht fit. Ja, ich habe Gegenwind. Es geht auch ständig rauf und runter. Und nach nur 50 Kilometer habe ich meinen ersten Platten zu flicken. Aber trotzdem komme ich nicht so recht ins Rollen. Dabei sind die Straßenverhältnisse optimal. In dieser Höhe sind auch die Tagestemperaturen angenehm frisch, zumal in den kühleren Morgenstunden. Nur einmal hat ein kleiner Junge einen Stein nach mir geworfen und mich am Rücken getroffen. Zum Glück war es nicht mein Kopf denke ich mir und hoffe, dass ich es nicht bereue auch dieses Mal wieder ohne Helm zu fahren. Doch eigentlich wäre der Helm zum Schutz gegen einen Sturz gedacht. An fliegende Steine von hinten habe ich dabei noch keine Überlegung verschwendet. Den höchsten Punkt meiner Reise mit 2800 m habe ich bereits am Vormittag hinter mich gebracht und quartiere mich nach acht Stunden und 111 Kilometer auf dem Fahrrad in der Ethio-German-Lodge kurz vor Fiche ein. Ich bin der einzige Gast an diesem Tag und so komme ich mit Annette, der deutschen Besitzerin ins Gespräch, während sie mich durch die Anlage führt und mir die Sehenswürdigkeiten gleich in ihrer Nachbarschaft zeigt. Sie kommt vom Bodensee und hat einen Äthiopier geheiratet, mit dem sie vor zehn Jahren diese Lodge eröffnet hat. Seit vier Jahren allerdings ist sie Witwe und kämpft nun alleine als Frau gegen die Bürokratiehürden des Landes und auch der Gemeinde. „Als Frau musste ich mir den Respekt hier erst verdienen“ sagt sie mir. Mittlerweile hat sie mehrere Servicekräfte angestellt. „Männer werden in diesem Land viel leichter respektiert“, das merkt sie auch heute noch, wenn sie ihren Mitarbeitern die Arbeit anweist. 
Nur ein paar gemeinsame Gehminuten entfernt stehen wir an einer steinernen Brücke über einer Schlucht. Die Brücke wurde ohne Zement erbaut und stützt sich nur durch die Form der Steine ab. Ein Fotograf hat sich diesen Hintergrund für sein gerade stattfindendes Fotoshooting mit ein paar Schönheiten des Landes ausgesucht. Während wir ihm bei der Arbeit zusehen, erklärt mir Annette, dass hier ein beliebter Treffpunkt der Jugend des Ortes sei. Weswegen die Polizei auch ständig präsent sein muss. Am Abend erzählt sie mir bei einem kühlen Bier auf der Terrasse noch von so vielen kleinen und großen Problemen, die sie hier zu bewältigen hat. Dafür ist der Ausblick über den Canyon wirklich überwältigend. Eine taffe Frau, denke ich mir. Bleibt zu hoffen, dass sie die Lodge noch lange erhält und viele Gäste diesen Ausblick genießen dürfen. 
Um 6:30 Uhr sitze ich schon wieder auf meinem Sattel und quäle mich wieder einmal einen langen Anstieg hoch. Hier in der Nähe des Äquators sind die Sonnenauf- und -untergänge das ganze Jahr über um 6 Uhr früh und 6 Uhr abends. Der Einbruch der Nacht nach Sonnenuntergang findet auch sehr viel schneller statt, als in unseren Breitengraden. 
Die Straßen werden jetzt schlechter und große Schlaglöcher zwingen mich auch auf den Abfahrten vorsichtig zu fahren. Die Hitze der Sonne hat auf dem Asphalt zu erheblichen Verwerfungen geführt, die hier wohl niemals ausgebessert werden. Die Spurrillen sind zum Teil bis zu zwanzig Zentimeter tief, so dass höhere Geschwindigkeiten zu einem Balanceakt auf dem Rad werden. Nach Gohatision fällt mein Blick 1800 Meter in den Canyon des Blauen Nils hinab. Großartig. Wie ein kleiner Wurm schlängelt sich der Fluss idyllisch durch das Tal. Allerhöchste Konzentration erfordert jedoch die Abfahrt dort hinab. Spurrillen, Schlaglöcher und LKW`s bremsen meine Fahrt immer wieder ein und lassen nur bedingt den Spaß bei der Down-Hill-Fahrt aufkommen. Kurz nach Mittag bin ich unten am Flussufer angekommen. Zwei Brücken überspannen den Blauen Nil. Jedoch ist nur eine für den Verkehr freigegeben. Die ältere Brücke ist wohl noch ein Relikt aus vergangenen Tagen. Hier lässt sich an einer Raststation mit kühlen Getränken sehr gut eine Pause einlegen. Doch außer einer Polizeistation ist hier nichts. Kein Hotel, kein Zeltplatz, kein Guesthouse. Nur die erbarmungslose Hitze und kaum Schatten. Soll ich noch einen Teil der 1500 Höhenmeter für morgen hochstrampeln? Oder hier mein Zelt aufschlagen und den Nachmittag überbrücken? Da ich bereits zwei Tage in Addis Abeba verloren habe, beschließe ich noch möglichst viele Höhenmeter zu erklimmen. Bis Dejen sind es gut 20 Kilometer auf den unendlich vielen und steilen Serpentinen in der glühenden Hitze des Nachmittages. Ich habe bereits auf meinen früheren Reisen berichtet, dass man Entscheidungen nicht durch falschen Ehrgeiz treffen sollte. Doch ich habe es wieder gemacht. Und auch diesmal werde ich dafür mit einem langen quälenden und kräftezehrenden Nachmittag büßen müssen. Ich radle los und bereits nach 10 Kilometer bin ich fix und fertig. Es ist heiß, es ist steil, es gibt weder Schatten noch Ruhepausen. Nur vorbei donnernde Fahrzeuge und mittleidig schauende Fahrer. Ein LKW Fahrer überholt, bleibt stehen und frägt mich, ob ich auf der Ladefläche bis Dejen mitfahren möchte. Er hat mir den Abend gerettet. Dankend nehme ich an, wuchte mein Fahrrad auf die Ladefläche und erfreue mich über jeden Höhenmeter, den ich mir für morgen ersparen kann. Wie ein Gummiball hüpfe ich mit meinem Fahrrad auf der harten Ladefläche auf und ab. Doch all die Schläge tausche ich gerne mit den Qualen, die ich sonst hätte, ein.
Am nächsten Tag fahre ich auf optimalen Straßen bis nach Debre Markos, einer kleinen Stadt mit ca. 60.000 Einwohnern. Hier gönne ich mir für 15 Euro ein Zimmer im besten Hotel der Stadt und eine Pizza zum Abendessen. Auch am dritten Tag werde ich das Gefühl nicht los, dass ich vor wenigen Jahren noch die Reisen mit weniger körperlichem Aufwand bewältigen konnte. Sollten meine 55 Jahre sich schon so sehr bemerkbar machen? Doch alle Überlegungen helfen mir nicht weiter. Ich habe noch einen weiten Weg vor mir. 
Als ich am nächsten Tag wieder um 6:30 Uhr los fahre, komme ich an einigen Kindern vorbei, die sich um diese frühe Uhrzeit schon auf dem Bolzplatz austoben. So war es damals in meiner Jugend auch, denke ich mir beim vorüber fahren. Bevor uns der Bus zur Schule abgeholt hat, wurde noch auf der Straße gebolzt. Jede freie Minute haben wir hierfür geopfert. Heute spielen sie lieber virtuelle Spiele auf ihren Gameboys oder Handys und überbrücken so die Zeit.
Unvergesslich sind auch die Momente, wenn eine Kinderschar mich entdeckt und mir minutenlang hinterherspringt. An den steilen Bergen mich anschiebt, mir den Weg versperrt oder mir hinterher schreien. „You“, „Where are you go?“, „money“ oder „Ferenchi“ sind dabei ihre ständigen Standardsprüche. Ferenchi heißt so viel wie Fremder und ich kann es schon nicht mehr hören, so oft habe ich es bereits zu hören bekommen. Ich stelle mir vor, wie es wohl wäre, wenn in Deutschland Kinder und Jugendliche bei unseren Migranten ständig „Fremder“ rufen würden. Es würde wohl zu einer noch intensiveren Rassismus-Debatte in unserem Land führen, als sie ohnehin schon geführt wird. 
Die nächsten Tage habe ich genügend Zeit zwischendurch meine Film- und Fotoaufnahmen zu machen. Diese Aufnahmestopps kosten mich auf meiner täglichen Tour immer sehr viel Zeit. Ich muss nach einer geeigneten Stelle suchen, meine Kameraausrüstung und mein Stativ auspacken, die richtige Einstellung vornehmen und mit Zeitauslöser den Moment mit mir auf dem Bild festhalten. Wenn die Bildaufnahme oder die Filmsequenz nicht zu meiner Zufriedenheit ausgefallen ist, und das ist sehr häufig der Fall, dann wird alles wiederholt. Danach alles wieder einpacken und mich mit der Menschentraube unterhalten, die sich in der Zwischenzeit um das Stativ herum gebildet hat. Dann geht`s wieder weiter. Und immer wieder fordern mich Jugendliche zu einem Duell auf dem Fahrrad heraus. Manchmal gehe ich darauf ein. Eine wenig Abwechslung auf dem Rad kann ja schließlich nicht schaden. Doch wie fast immer, enden die Duelle nach wenigen Kilometern im nächsten Dorf oder an der nächsten Straßenkreuzung. Dann trete ich wieder alleine in die Pedale, schaue auf meinen Tacho und freue mich, wieder ein paar Kilometer hinter mich gebracht zu haben. Nach 600 Kilometer schmerzt meine Schulter, an meinem Oberschenkel und im Gesicht habe ich einen Sonnenbrand und meine beiden Ringfinger sind vom Aufstützen auf dem Lenker schon taub geworden. Auch meinen Hintern spüre ich gewaltig, als ich in Bahir Dar am Tanasee ankomme. Zu essen gibt es in Äthiopien für mich fast immer Spaghetti und dazu ein kühles Bier. Die Spaghetti sind sehr scharf gewürzt, aber immer sehr lecker. Doch heute gönne ich mir ein tolles Hotel und zartes Lammfleisch zum Abendessen. Der Tanasee ist nicht nur Äthiopiens größter See, sondern auch die Quelle des Blauen Nils. Da der Nil von hier nach Süden einen weiten Bogen macht, bis er in nordwestlicher Richtung die sudanesische Grenze überschreitet, werde ich ihn erst wieder kurz vor meinem Ziel in Khartum zu sehen bekommen.     
Ich möchte mir die Nil Wasserfälle ca. 30 Kilometer von Bahir Dar ansehen und fahre am nächsten Tag in aller Früh die Staubstraße entlang, die dorthin führt. Die erweist sich aber nicht gerade als ein großes Vergnügen. Die vielen herausstehenden Steine setzen mir und meinem Fahrrad erheblich zu und ich werde bei jedem Fahrzeug, das mir begegnet, mit Staub eingenebelt. Damit ich auch länger etwas davon habe, wird die Staubschicht mit dem Schweiß auf meiner Haut immer dicker. Doch ich wasche mir am Ende des Tages den Dreck vom Körper ab. Die Menschen hier in den Dörfern, die ich durchfahre, sind jeden Tag mit dem Staub konfrontiert. Rücksicht nimmt hier jedenfalls kein Autofahrer und reduziert seine Geschwindigkeit beim Passieren der Menschen. Da darf es nicht verwundern, wenn die durchschnittliche Lebenserwartung in Äthiopien gerade mal bei etwa 65 Jahren liegt. Und das ist auf dem afrikanischen Kontinent noch eine relativ hohe Lebenserwartung.
Der Wasserfall bei Tissisat ist sogar bei Niedrigwasser ein echtes Highlight. Wie spektakulär wäre er erst, wenn ich bei Hochwasser hier wäre. Die Fahrt hierher hat sich jedenfalls gelohnt. Mittlerweile ist es am frühen Nachmittag extrem heiß geworden. Deshalb entschließe ich mich mit dem Bus und dem Fahrrad auf dem Dach zurückzufahren. Ich muss ja nicht jede zusätzliche Qual auf mich nehmen, denn ein Masochist bin ich auch als Afrikaradler nicht. Doch ich sitze über eine Stunde im Bus, bis sich unser Busfahrer endlich entschließt loszufahren und im stop-and-go Modus zurück nach Bahir Dar zu tingeln.
Am nächsten Tag bin ich eine meiner längsten Tagesstrecken bis nach Gondar unterwegs. Natürlich hätte ich noch einen Tag länger für diese Strecke einplanen können, aber ich wollte an diesem 19. Januar hier sein, weil am 19. oder 20. Januar jeden Jahres das höchste christlich-orthodoxe Timkat-Fest in Gondar und Umgebung stattfindet. Die alte Kaiserstadt Gondar befindet sich in dieser Zeit für 3 Tage im Ausnahmezustand. Es handelt sich bei diesem Fest um eine Art Tauferneuerung. 
Am Abend treffe ich auf Monday und seinen Kumpel. Der heißt nicht Freitag wie bei Robinson Crusoe, aber so recht kann ich mir seinen Namen nicht einprägen. Ich werde ihn einfach Freitag nennen. Unaufgefordert zeigt er mir seinen Ausweis. „Tourist Police“ steht drauf. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Ausweis einer Echtheitsprüfung standhalten würde. Ich lasse mich trotzdem auf ihre Begleitung ein, denn sie wollen mir das Nachtleben hier in Gondar zeigen. Dabei gibt mir Monday schon bevor die Tour beginnt einen wichtigen Ratschlag mit auf den Weg: „Enjoy Ethiopia, in Sudan there is no women, no beer, no dance and no fun“. Das hört sich für meine Weiterreise sehr spartanisch an. Deshalb stürze ich mich mit den beiden in das äthiopische Nachtleben und lasse mich überraschen, wieviel ich hier abbekomme von Frauen, Bier, Tanz und Spaß. 
So tingeln wir von einer Bar in die nächste. Trinken reichlich Bier und tanzen auf äthiopische Musik mit einem speziellen und ausgeprägten Hüftschwung. Den bekomme ich als Ausländer und Weißer wohl nicht so recht hin. Da hilft es auch nicht, dass sie mir den Schwung zum wiederholten Male zeigen. Ich kann ihnen mit meiner Darbietung nur ein Schmunzeln abgewinnen. Dann lieber noch eine Runde Bier. Aber auch diese Runde darf ich nicht spendieren. „We want you to enjoy Ethiopie“ erklärt mir Monday auf meine Einladungsversuche und wehrt sie permanent ab. „Wir holen dich morgen um 5:30 Uhr zum Fest ab“ erklären sie mir. „Wann? um 5:30 Uhr? Aber jetzt ist es bereits 1:00 Uhr nachts und wir sind noch lange nicht im Bett.“ Vielleicht meint Monday auch die äthiopische Zeit, die ja um 6:00 Uhr mit der Stundenzählung neu beginnt. Das wäre dann 11:30 Uhr rechne ich mir bereits aus und frage ihn welche Zeit er denn meint. „No, not Äthiopia time“ sagte er mir und gibt mir zu verstehen, dass die beiden durchaus die frühen Morgenstunden damit meinen. Naja, so wie es aussieht werde ich wohl wenig Schlaf in dieser Nacht bekommen. Freitag, Monday‘s Freund, erklärt mir: „Which girl do you like here? You can have every girl you like“. Ich schaue ihn etwas verwundert an. Doch ist es mir natürlich auch schon aufgefallen, dass die jungen hübschen Mädchen alle um mich herum tanzen. Die werden wohl kaum auf ältere weiße Männer stehen. „Jedes girl ist nice“, sage ich ihm und versuche ihn gar nicht erst auf dumme Gedanken zu bringen. Jerry, eine hübsche Äthiopierin, deren Alter ich auf etwa 20 Jahre schätze, rückt keinen Meter mehr von mir ab und begleitet uns auch auf unsere weiteren Barbesuche. Um 2:30 Uhr verabschiede ich mich dann von meinen neuen Freunden, um in meinem Hotel noch ein paar Stunden Schlaf zu finden. Jerry macht mir daraufhin ein unmissverständliches Angebot für eine Nacht mir ihr. Und auch meine beiden Begleiter sehen mich erwartungsfroh an und hoffen auf eine schöne Vermittlungsgebühr, die für sie herausspringt. „Sorry“, sage ich, „maybe another day. I must go to bed now“. Bis zum Hotel begleiten mich meine äthiopischen Nachtschwärmer noch. Dann nimmt mich Monday zur Seite. „Kannst du mir 600 Birr (umgerechnet etwa 20 Euro) geben, für das Bier den ganzen Abend?“. Von wegen „We want you to enjoy Ethiopia ….“. Ich gebe ihm die Hälfte davon, schließlich soll er merken, dass er nicht alles mit uns Touristen machen kann. Am Ende bin ich aber froh, dass er meinen Kompromiss akzeptiert, denn auch die Hilfe der Touristenpolizei hätte ich in diesem Moment wohl kaum zählen können. So geht eine aufregende lange Nacht für mich zu ende. Doch sie endet schon wieder nach einem kurzen Schlaf. Denn um 6:00 Uhr morgens bin ich bereits wieder auf den Beinen, auch wenn mich keiner meiner nächtlichen Begleiter wie angekündigt abholt. Doch es sind bereits hunderte Menschen in der Dunkelheit unterwegs. Ihr Weg führt sie alle zum Fasilidas Bad. Auch ich schließe mich der treibenden Menschenmenge an. Als wir am Bad angekommen sind, springen die ersten Äthiopier ins Wasser. Zuerst nur einzelne, doch schon nach kurzer Zeit ist das Bad mit Menschen überfüllt. Mit brennenden Kerzen und Gebetbüchern stehen die Gläubigen um das Bad herum und sprechen ihre Gebete. Das Licht tausender Kerzen in der Dunkelheit verzaubert diesen Ort auf eine besondere Weise. Nachdem es hell geworden ist, lasse ich mich weiter durch die Straßen der Stadt treiben. Überall singen und tanzen die Menschen. Das Fest wirkt laut, schrill und irgendwie chaotisch auf mich. Aber auch absolut friedlich. Prozessionen ziehen durch die Stadt und bahnen sich ihren Weg durch die gläubige weiß gekleidete Menschenmenge. Die Warnung des Auswärtigen Amtes, dass es in dieser Gegend zu Ausschreitungen kommen könnte, erscheint mir im Moment völlig unbegründet. 
Gondar ist mit knapp 350 Tausend Einwohnern die zweitgrößte Stadt Äthiopiens. Neben einer sehr alten Festungsanlage (UNESCO Weltkulturerbe), die besichtigt werden kann, starten hier auch viele Touren in die Berge des Simien Nationalparks. Deswegen finden sich auch einige Touristen hier ein, die meist von Guides begleitet werden und somit nicht nur wegen ihrer weißen Haut leicht zu erkennen sind. Ich nutze die Zeit am Nachmittag um mein Reisegepäck wieder auf Vordermann zu bringen. Neben Socken, die vereinzelt der Dauerwäsche zum Opfer gefallen sind, kaufe ich mir auch eine neue Sonnenbrille. Meine alte ist zu Bruch gegangen und ich hatte sie nur notdürftig repariert. 
Am Abend treffe ich in einem der Biergärten der Stadt auf Tizezew und ihre Freundinnen. Ja, es gibt extra für dieses Fest nette Bereiche in der Stadt, die zu Biergärten umfunktioniert wurden. Nicht unter Kastanienbäumen, wie wir sie aus Bayern kennen. Dafür mit äthiopischer Musik, Tanz (mit dem besonderen Hüftschwung) und jeder Menge lustiger und fröhlicher Menschen. Auch Tizezew und ihre Freundinnen haben an meinen Tanzversuchen ihren Spaß. Sie will mich morgen vom Hotel abholen und lädt mich zu ihr nach Hause ein.
Eigentlich möchte ich am nächsten Tag schon aufbrechen, entschließe mich aber kurzfristig doch noch einen Tag in Gondar dranzuhängen. Aber das liegt nicht nur an Tizezew’s Einladung. Ich will so spät als möglich in den Sudan einreisen. Denn erstens ist Geld zu wechseln im Sudan schwierig und Automaten zum Abheben sind keine vorhanden. Somit möchte ich so wenig Bargeld wie möglich dabei haben. Zweitens habe ich mit Tizezew ein Date vereinbart und drittens, und dieser Grund wiegt fast am schwersten, gibt es ab der Grenze wohl nur noch Ziegenmilch statt Bier. Außerdem ist das Timkat Fest noch voll im Gange.
Nachträglich betrachtet war es sicher eine gute Entscheidung. Am nächsten Tag sehe ich zur Mittagszeit hunderte Jugendliche Fans in rot-weiß gestreiften Fußballtrikots und Fahnen in Richtung Fußballstadion pilgern. Aber nicht der FC Bayern, sondern die heimische Mannschaft, sie heißt Fasil (nicht Gondar) und spielt in der zweiten äthiopischen Liga, trägt heute ein Heimspiel gegen wen auch immer aus. Ich kaufe mir spontan ein Trikot der Heimmannschaft und mache mich ebenfalls auf ins Stadion. Statt bei -10 Grad im Heimspiel des FCA stehe ich bei +30 Grad hier im Stadion von Gondar. Ich habe mir für zwei Euro eine VIP Karte gekauft, die mir einen Schattenplatz unter dem Tribünendach sichert. Für 80 Cent gäbe es das normale Ticket in der prallen Sonne. Das Stadion macht einen äußerst baufälligen Eindruck, aber es wird hoffentlich zumindest das heutige Spiel überleben. Ich stehe mitten unter den in rot und weiß gekleideten Fans und überlege mir, was ich wohl mit dem Trikot Zuhause machen werde. Ich kann es wohl nur einem Bayern Fan schenken. Bis zum Spielbeginn bin ich ein begehrtes Fotoobjekt der einheimischen Fans. Viele von ihnen wollen sich mit dem eigenartigen neuen weißen Fan ihrer Mannschaft ablichten lassen. Als das Spiel beginnt, bin ich überrascht, wie flott und ansehnlich es ist. Es hat aus meiner Sicht durchaus das Niveau einer Bayernliga oder vielleicht auch einer Regionalliga. Leider fielen in der ersten Halbzeit trotz guter Stimmung der Fans keine Tore und so bin ich bei einem torlosen Remis zur Halbzeit wieder in mein Hotel zurück. Ich will der aufgepeitschten Menge am Ende des Spiels aus dem Weg gehen. Wie es ausging kann ich bis heute leider nicht sagen.
Am Abend holen mich Tizezew und ihre beste Freundin wie verabredet ab. Wir fahren zu ihr nach Hause, wo ihre Mutter bereits auf mich wartet. Das Haus besteht aus einem einzigen Zimmer mit Lehmboden. Darin befindet sich ein Bett, einige abgenutzte Polstersessel mit einem Tisch, eine Kochstelle, ein Kühlschrank und einem kleinen Fernseher. Im Fernseher mit kleinem und krisseligen Bild geben Sängerinnen und Sänger äthiopische Volkslieder wieder. An den Wänden hängen alte große Heiligenbilder mit verzierten Goldrahmen. Und ein Familienbild mit Tizezew, ihren Schwestern, Neffen und Eltern, die schon seit einigen Jahren geschieden sind, wie ich auf Nachfrage erfahre. Sie wohnt mit ihrer Mutter und ihrer Schwester alleine in diesem Haus. Auf meine Frage wo denn ihr Bett sei, erklärt sie mir: „Wir schlafen alle Drei in diesem Bett“. Ihre Mutter ist sehr freundlich und serviert mir äthiopisches Essen und etwas zu trinken. Leider kann ich mich mit keinem Wort bei ihr bedanken, denn sie spricht kein Wort Englisch. Tizezew übersetzt deshalb so gut es eben geht. Ich bemühe mich ihrer Gastfreundschaft gerecht zu werden und nehme einige Happen des Essens zu mir. Auch beim gewöhnungsbedürftigen Tee nehme ich noch ein zweites Glas, bevor mir Tizezew übersetzt: „Meine Mutter frägt, ob du noch ein Bier möchtest?“. Liebend gerne. Sie hat mir wohl angesehen, dass ich dem Geschmack des Tees nicht zugänglich war. Und so wird es noch ein netter gemeinsamer Abend, bevor ich rechtzeitig unter meine Bettdecke schlüpfe. Während ich in meinem bequemen Bett liege, denke ich noch über diese nette Einladung von Tizezew nach. Sie gehört sicher zur besseren Gesellschaftsschicht in Äthiopien, aber die Vorstellung, dass eine junge Frau jede Nacht mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in einem Bett verbringt, wirkt doch sehr befremdlich auf mich. Dann schlafe ich ein, denn morgen erwartet mich eine lange Etappe bis an die Grenze des Sudans.
170 Kilometer stehen am Ende des Tages auf meinem Tacho. Es war die längste Etappe, die ich bisher in Afrika geradelt bin. Dazu kam ein 20 Kilometer langer Anstieg zu Beginn der Strecke. Nur in der Mittagshitze hatte ich ein kleines Leistungstief. Ich habe mir in meiner Phantasie eine kühle und frische Mass Radler oder Russ vorgestellt. Und dieser Gedanke ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Statt Radler gab‘s dann im nächsten Dorf ein kühles Cola. Die Einheimischen, die sich um mich geschart hatten, haben mir bei jedem Schluck zugesehen und mit ihren Handys Fotos von mir gemacht. Irgendwie ein komisches Gefühl. Ich bin nach diesen 170 Kilometern hier in Maganan doch ziemlich ausgelaugt. Sollte es hier in Äthiopien das Klischee eines typischen weißen Touristen geben, habe ich beim Anblick von mir wohl sämtliche Vorstellungen bei ihnen widerlegt. Und dann ist der angekündigte Moment für mich gekommen. Am Abend gibt es das letzte kühle Dashen Bier vor dem alkoholfreien Sudan. Und es gibt Salat. Keine Spaghetti. Dafür heißen Salat. Scharfen Salat. Sogar sehr scharfen Salat. Mir kommen bei jeder Gabel die Tränen. Beim letzten Abendessen in Äthiopien bekomme ich nochmals zu spüren, wie scharf die landestypische Küche hier sein kann. 
Dann geht’s ins Bett. Schließlich bin ich nach dieser langen Strecke hundemüde und möchte morgen früh fit sein für den bevorstehenden Grenzübergang. Ich packe meine luftgefüllte Isomatte aus und lege sie auf die Matratze, damit ich in der Nacht nicht jede einzelne Feder auf meinem Rücken spüre.  

70 Dollar habe ich an der Grenze für die Registrierung bezahlen müssen. Trotz bereits vorhandenem Visum. Halsabschneider. 
Schon 10 Kilometer vor der Grenze werde ich ständig von money changern angesprochen, die mir für meine restlichen Birr zu allerbesten Wechselkursen sudanesische Pfund versprechen. Leider habe ich es versäumt, den aktuellen Wechselkurs nachzulesen, als ich noch eine Internetverbindung hatte. Ich habe mich nicht darauf eingelassen und hoffe, an der Grenze noch eine Bank oder eine offizielle Wechselstube zu finden. Als mir ein Äthiopier in dem bürokratischen Grenzübergansformalismus jedoch seine Hilfe anbietet und mich von einem Büro zum anderen begleitet, habe ich als Gegenmaßnahme für seine Hilfe doch die restlichen Birr`s, die ich hatte, bei ihm gewechselt. Dass ich hierbei ein Minusgeschäft gemacht habe, war zu erwarten und wird von mir als Ausgabe für die Nutzung seiner Dienstleistung in meinem Reisebudget verbucht. 
Wie an jeder Grenze ist der Wunsch hier in Gallabat länger zu verweilen nicht besonders ausgeprägt. Erstens bin ich gerade mal 40 Kilometer unterwegs und zweitens bin ich trotz der Stunde Verzögerung durch den Formalismus noch früh am Tag im Sudan und möchte den Tag nicht verplempern. So entschließe ich mich weiter zu radeln, auch wenn die nächsten 100 Kilometer auf Google Maps kein Dorf erkennbar ist und hier an der Grenze Hotels zur Verfügung stehen würden. 40 Kilometer von hier, sollte ich jedoch ein Hotel auf meiner Wegstrecke vorfinden, so versprach mir ein Sudanese im gebrochenen Englisch. Doch daraus wurde nichts. Hier gibt es nach dem ersten Eindruck nur unendliche Weite, Hitze, Wind, Sand und schlechte Straßen. 
Auch beim zweiten Eindruck lässt sich das Radfahren im Sudan mit Äthiopien nicht vergleichen. Ich habe die hohen Berge des äthiopischen Gebirgsmassives verlassen und radle ohne erkennbare weitere Erhebungen auf völlig ebener Strecke bis nach Khartum. Hier im Sudan wird es heiß, sehr heiß sogar. Und schattige Wälder sind hier weit und breit nicht zu erkennen. Dörfer, oder auch nur Tankstellen, bei denen ich meinen Getränkevorrat nachfüllen kann, liegen teilweise 50 bis 100 Kilometer auseinander. Es ist deshalb ungemein wichtig, meinen Flüssigkeitsvorrat akribisch zu planen. Die Straßenführung verläuft nicht durch die Dorfzentren, sondern an den Dörfern vorbei. Damit habe ich viel weniger Kontakt zu den Einheimischen und muss mir immer vorher überlegen, in ein Dorf hinein zu radeln oder den schnelleren Weg daran vorbei zu nehmen. Dabei ist der Kontakt zu der muslimischen Bevölkerung, bei der die meisten Frauen auch in der Öffentlichkeit verschleiert sind, ohnehin viel zurückhaltender. Die Tatsache, dass ich nicht mehr ständig angequatscht werde, empfinde ich jedoch als sehr angenehm. Die Straßen sind geteert und ohne größere Schlaglöcher, dafür ist der Straßenbelag wesentlich rauer und hat somit einen höheren Rollwiderstand, was ich spürbar merke.
Als ich mich nach fast 130 Kilometern in eine Tankstelle rette, kaufe ich fast den Laden leer. Apfelsaft, Kirschsaft, Mango und noch Cola und Wasser. In kürzester Zeit leere ich nacheinander alle Getränke. Doch damit tue ich mir keinen Gefallen, da die Getränke aus dem Kühlfach für meinen Magen viel zu kalt sind. Die Auswirkungen werde ich in den nächsten Tagen zu spüren bekommen. Doch für den Augenblick waren meine Speicher leer und sie mussten dringend wieder aufgefüllt werden. So sitze ich an einer Stufe der Tankstelle, als ein weißer Amerikaner mit einem dicken Pickup Truck vorfährt. „You must be cracy“ gibt er mir zur Begrüßung zu verstehen, als er mich mit meinem Fahrrad sieht. Er arbeitet hier einige Jahre für einen amerikanischen Konzern und erklärt mir, dass ich bis zur nächsten größeren Stadt Qadarif keine Unterkunft mehr finden werde. Das bedeutet, ich werde erstmals auf dieser Reise in meinem Zelt unter freiem Sternenhimmel schlafen. Kein Problem für mich. Nun habe ich die Unterschiede zwischen dem Radfahren in Äthiopien und dem Sudan schon ausführlich beschrieben. Aber genau diese beschriebene Zurückhaltung der Menschen erweist sich für mich als großer Glücksfall. Solange ich nicht selbst Hilfe benötige und danach frage, kümmern sich die Menschen nicht um mich. So kann ich ungestört mein Zelt für die Nacht aufbauen und habe in der Nacht wie so oft freie Sicht auf ein Sternenzelt von Millionen funkelnder Sterne über mir. Der Anblick entschädigt für die Mühen des Tages. Doch vor Müdigkeit schlafe ich trotzdem schnell ein, auch wenn ich mich zwinge, diesen Moment für mich so lange wie möglich zu genießen. 
Am nächsten Tag fahre ich wie geplant bis Qadarif. Auch hier in Qadarif pumpe ich literweise Flüssigkeit in mich hinein. Diesmal passe ich jedoch etwas auf und greife nicht nach den kältesten Getränken. In den frühen Morgenstunden weht noch eine etwas kühlere Brise, doch sobald sich der Chronometer jenseits der 10:00 Uhr Marke befindet, wird es fast unerträglich heiß. Dann sollte das Ziel vor Augen sein oder ich muss mir so langsam einen Schattenplatz suchen, an dem ich die heißeste Tageszeit verbringen kann. Für heute jedenfalls habe ich ein gemütliches Hotel gefunden. 
Banken wechseln hier kein Geld, so muss ich mir eine Wechselstube suchen, die ich nach langen Irrwegen und häufigem Nachfragen in einer kleinen Seitengasse gefunden habe. 400 Dollar wechsle ich um. Mit diesem Geld muss ich für den Rest der Reise auskommen, aber das Leben im Sudan ist äußerst billig und im Vergleich zur Grenze bekomme ich auch einen wesentlich besseren Wechselkurs für mein Geld. 
Am Abend gibt es heute Pizza. Aber irgendwie schmeckt sie mir nicht so besonders, deshalb lasse ich auch einen Teil davon wieder zurückgehen. Es sind die ersten Anzeichen meiner Magenverstimmung, wie ich später schmerzvoll erfahren werde. Doch einen Tag habe ich noch, bevor meine Leidenszeit beginnt. Leider verspüre ich jetzt auch jeden Tag immer mehr Gegenwind, der sich im Laufe des Vormittages einstellt und pünktlich bis zur Mittagshitze mir mit voller Stärke ins Gesicht bläst. 
Ich denke an die Tour de Afrika, die mir entgegen kommen würde, falls sie ein paar Tage vor ihrem Zeitplan liegen. Es wäre eine willkommene Abwechslung für mich. Sie hätten mit Rückenwind und ohne Gepäck sicher ein wesentlich höheres Tempo als ich es habe. Sie würden wohl an mir vorbeifliegen. Doch nichts passiert. Einsam trete ich die Pedale an meinem Fahrrad. Bernd wäre zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht dabei gewesen. Ich suche mir in der Mittagszeit einen Platz mit Schatten, der bei den wenigen Bäumen gar nicht so leicht zu finden ist. Stundenlang liege ich unter einem Baum, nutze den winzigen Schatten, den die lausige Baumkrone wirft und warte bis die Hitze mir erlaubt weiter zu radeln. Am Abend habe ich dann meinen ersten Platten, als ich mein Rad zum Zeltaufbau von der Straße schiebe und dabei ein Dornenfeld übersehe. 
Als ich den Plattfuß bemerke, ist es bereits dunkel geworden. Mit dem Licht meiner Taschenlampe baue ich mein Vorderrad aus und versuche durch das Abtasten der Mantelinnenfläche mit der Hand alle Dornen, die sich in den Mantel gespießt haben, zu erfühlen. Am Ende kann ich nur hoffen, dass ich alle Spitzen aus dem Mantel gezogen habe. Erst dann baue ich mein Fahrrad wieder zusammen und bin froh, dass ich am nächsten Morgen den Reifen immer noch prall gefüllt mit Luft vorfinde. Es wird ein weiterer Tag der Leiden. Ewige Weite, kein Schatten in praller Hitze, Gegenwind, lauwarmes Wasser in meinen Trinkbehältern und jetzt auch noch Magenkrämpfe, die mich plagen. Seit meiner Pizza habe ich keinen Bissen mehr hinunter gebracht. Aber ich möchte mein Tagesziel in Wad Madani erreichen. Die Menschen hier sind so nett. Ich frage eine Gruppe Männer, die ihren Nachmittagstee gemeinsam trinken, ob ich hier Wasser nachkaufen kann. Sofort laden sie mich in ihre Runde mit ein, und spendieren mir anschließend noch ein warmes Cola. Sie sehen mir meinen schlechten Zustand wohl an. „Ich fahre ohnehin die 20 Kilometer nach Wad Madani“ erklärt mir einer der Gruppe und bietet mir seine Hilfe an. „Ich nehme dich gerne mit deinem Fahrrad mit“. In meiner augenblicklichen Lage möchte ich sein Angebot nicht abschlagen, und so landet im nächsten Moment mein Fahrrad auf der Ladefläche seines Pick-Up’s und ich steige auf der Beifahrerseite ein. Die Produktvielfalt in den Städten ist beachtlich. In Wad Madani bekomme ich in den Lebensmittelläden alles was ich brauche. Die Auswahl der Produkte ist wesentlich größer als sie noch in Äthiopien war. Aber auf der Straße ist mir die letzten Tage auch schon aufgefallen, dass sowohl die landwirtschaftlichen Fahrzeuge wie Mähdrescher, als auch die Privat-PKW’s wesentliche neuer und moderner sind als in Äthiopien. Die Auswahl im Lebensmittelladen lässt keine Wünsche offen. Ich kaufe mir zwei frisch gepresste Organgensäfte, die so lecker sind, dass ich am liebsten noch einen Erholungstag hier einlegen würde. Aber ich strebe Khartum entgegen und teile mir die restlichen 170 Kilometer lieber in drei kleinen Tagesetappen ein, als bei diesen Verhältnissen und in meinem derzeitigen Zustand eine lange Gewaltstrecke zu bewältigen. Ich versuche mit Kebab etwas feste Nahrung zu mir zu nehmen, auch wenn ich immer noch an Appetitlosigkeit leide. Aber mir ist völlig klar, dass ich die restlichen Tage meiner Reise nicht ohne Energiezufuhr überstehen kann. 
Bei allen Qualen und Anstrengungen, die ich hinter mich gebracht habe, spielt der Sicherheitsgedanke in diesem Land bisher überhaupt keine Rolle. Ich denke mir sogar, dass es mein bisher sicherstes Reiseland in Afrika ist. 
Meine letzten drei Etappen gestalten sich nochmals als echte Herausforderung. Bei orkanartigem Gegenwind zeigt mein Tachometer über weite Strecken gerademal zwischen 9 und 15 Kilometer in der Stunde an. Der Wind zeigt sich nochmal sehr ekelhaft und bläst mir den aufgewirbelten Staub direkt ins Gesicht. Ich schütze mich mit Sonnenbrille und einem Tuch vor dem Mund so gut es geht vor dem aufgewirbelten Staub.
Bei diesen Bedingungen können auch 60 Kilometer am Tag zum Problem werden. In Altekaina entdecke ich am vorletzten Reisetag ein Restaurant. Hotels oder Gueshouses gibt es hier nicht, wird mir bestätigt. Auch wenn ich dachte meine Magenprobleme sind bereits etwas besser geworden, spüre ich sie jetzt wieder wesentlich stärker. Vor dem Restaurant musste ich mich deshalb schon zweimal übergeben. So frage ich den Restaurantbesitzer ob ich mich nicht in einem Nebenzimmer kurz hinlegen könnte. Es gibt hier einige aufgebaute Pritschen, die jedoch allesamt bereits belegt sind. Meinen Wunsch nach einer Liege zum Ausruhen kann ich schon durch mein jämmerliches Aussehen unterstreichen. Ich werde vom Besitzer des Restaurants in einen Nebenraum mit weiteren Pritschen geführt. „You can stay here as long as you want“, erklärt er mir. Und so bin ich glücklich, für die nächsten Stunden, die Möglichkeit zu haben, mich ein wenig erholen zu können. Über meine nächtliche Bleibe kann ich mir immer noch Gedanken machen, sobald es mir wieder etwas besser geht. Ein junger Mitarbeiter, der an der Orangenpresse seinen Dienst verrichtet, kommt auf mich zu. Er spricht kein Wort Englisch, gibt mir aber zu verstehen, dass ich bei ihm übernachten könnte. Wenn es dir ganz schlecht geht, kommt irgendwie und unverhofft Hilfe herbei, denke ich mir und bedanke mich schon mal im Voraus für seine Gastfreundschaft. Dann gehen wir nach nebenan, wo er in einem kleinen dunklen Zimmer wohnt. Ich schiebe mein Fahrrad ins Zimmer und sehe mich im Gebäude etwas um. Das Haus ist aus Lehm gebaut und beherbergt zwei oder drei Bedienstete des Restaurants. Es gibt keine sanitären Anlagen, lediglich eine Waschschüssel und ein Plumpsklosett, steht zur Verfügung, dass allerdings nur im Notfall benutzt werden sollte. Denn dabei muss man schon hartgesotten sein und eine Wäscheklammer für die Nase sollte man auch griffbereit haben. Der Raum ist dunkel, da er nur über ein einziges kleines Fenster verfügt. Möbel gibt es keine, außer den zwei Betten im Raum. Alles, was mein Gastgeber an Kleidung besitzt, hängt mit wenigen Kleiderhaken an einer Stange. Er bietet mir das zweite, unbenutzte Bett für meine Übernachtung an. Ich bin sehr froh darum und frage ihn wie viel er dafür haben möchte. „No money“, lautet spontan seine Antwort. Er bringt mir frisches Wasser in der Schüssel und erklärt, dass er erst nach Feierabend am späten Abend zum Schlafen wieder kommt. Ich wasche mich, lege mich aufs Bett und wache nur nochmals auf, als er sich schlafen legt.
Wie an jedem Tag, stehe ich auch an meinem letzten Reisetag wieder sehr früh auf. Mein junger Gastgeber schläft noch, als ich ihm einige Pfund aus meiner Reisekasse aufs Bett lege und leise in die noch dunkle Morgenstunde entfliehe. Meine letzten Kilometer bis nach Khartum stehen auf dem Plan. Lange vor dem Stadtzentrum fahre ich durch die Vorstädte dieser Millionenstadt. Die Hauptstadt des Landes hat zurzeit etwa 6 Millionen Einwohner. Aber es wird erwartet, dass die Stadt in den nächsten 20 bis 30 Jahren um das doppelte wächst. In einem Artikel im Internet habe ich gelesen, dass Khartum die sicherste Metropole Afrikas wäre. Im Gegensatz zu den Städten davor, durch die ich auf meiner Reise gekommen bin, erwarten mich hier Hochhäuser in modernem Design. Die Stadt wirkt sauber und ich stelle bald fest, dass sie auch einen sehr sicheren Eindruck auf mich macht. Ich habe es nicht ausprobiert, aber würde ich mein Fahrrad unverschlossen in der Stadt abstellen, dann habe ich das Gefühl es wäre am nächsten Tag wohl immer noch da. 
Ich quartiere mich ins City Flats Hotel, in der 49ten Straße nahe dem Flughafen ein. Das Dreisterne Hotel ist eine Luxusunterkunft, das ich für die letzten beiden Übernachtungen buche. Nach all den Strapazen möchte ich mir diesen kleinen Luxus gönnen. Und doch komme ich mir gegenüber meinem Gastgeber von heute Nacht dekadent vor. 
Das Fünfsterne Hotel Burj al-Fateh übertrifft diese Dekadenz allerdings noch bei weitem. Es ist in seiner ovalen Form das augenfälligste Gebäude der Stadt. Ich radle direkt daran vorbei, als ich zu meinem letzten großen Ziel der Reise aufbreche. Es ist der Zusammenfluss der beiden Nilflüsse, der Weiße Nil und der Blaue Nil. Beide verbinden sich an der Grenze der zusammengewachsenen Städte Khartum und Omdurman. In meinem Reiseführer und einigen Internetseiten steht geschrieben, dass es verboten wäre vom Zusammenfluss der Nilflüsse ein Bild zu machen. Doch als ich mit meinem Fahrrad über die White Nile Bridge fahre, ist weit und breit kein Polizist oder sonstiger Staatsbediensteter zu sehen. So zücke ich meine Kamera und schieße schnell ein paar Bilder für meine Sammlung. So spektakulär sieht es eigentlich gar nicht aus, denke ich mir und halte weiter mit der Kamera drauf. Warum sollte es hier auch verboten sein Bildaufnahmen zu machen. Von meinen kleinen Erfolgen angestachelt, fahre ich auch noch unter die Brücke und lichte die Perspektive nahe am Flussufer ab. Da höre ich auch schon einen lauten Schrei: „Hey, what are you doing?“ Erschrocken nehme ich meine Kamera herunter, drehe mich um und gehe auf einen Polizisten zu, der mir die Frage gestellt hat. Ich hoffe nur, dass er mir den Speicherchip nicht entnimmt, dann sind alle hier gemachten Aufnahmen wohl vergebens. Und im schlimmsten Fall, würde ich nicht mal mehr meine Speicherkarte zurückbekommen. Damit wären auch viele weitere Bilder verloren. Ich erkläre ihm in ruhigem Ton, dass ich hier eine Bild machen wollte und versuche dabei den Eindruck zu erwecken, dass ich gerade erst dabei begonnen habe. „You need a permit“, sagt er mir mit bestimmenden Ton. „Oh, i didn’t know“ sage ich und mime den Ahnungslosen. „Where do i get this?“. Dann lasse ich mir den Weg zur Behörde erklären, die für die Ausstellung des permits verantwortlich ist und wiederhole sicherheitshalber nochmals akribisch seine Wegbeschreibung, um nachdrücklich mein Interesse daran zu zeigen. Abschließend bedanke ich mich noch für seine freundliche Hilfe und verlasse zielstrebig und mit großer Erleichterung den Ort unserer Unterhaltung. Nochmals Glück gehabt.
Meine Rückreise steht kurz bevor. Für meinen Rückflug mit British Airways muss ich mir auch für den Transport meines Fahrrads wieder etwas einfallen lassen. Fahrradgeschäfte, die mir möglicherweise einen Karton für die Verpackung überlassen könnten, konnte ich in der Stadt noch nicht Ausfindig machen. Und auch eine Nachfrage an der Hotelrezeption nach einem Fahrradgeschäft bringt mich nicht viel weiter. So sammle ich schon seit meiner Ankunft in Khartum alle Kartonagen, die ich am Wegesrand finde und verstaue sie in meinem Hotelzimmer. Für die täglichen Reinigungskräfte schreibe ich noch einen Hinweis, dass ich den Kartonstapel noch brauche und platziere ihn darauf. Wer weiß, ruckzuck würde meine aufwändige Sammelaktion sonst der Müllentsorgung meines Zimmers zum Opfer fallen. Mit den aufgehäuften Kartonfetzen auf dem Gepäckträger schiebe ich dann am Abreisetag mein Fahrrad zum Flughafen und beginne in der Abflughalle erstmal damit, mit Klebeband aus den Kartons eine geschlossene Fläche zu bauen. Anschließend stelle ich mein Fahrrad darauf und versucht mit den Kartons alles zu verschließen. Danach geht`s zum Stand für Folienumwicklung und schon steht das Fahrrad mit vielen Puzzleteilen verpackt zur Aufgabe für Sperrgepäck bereit.
Improvisation ist etwas, das ich auf meinen Afrikareisen gelernt habe.
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